Geschrieben von: Roland Voigt

Freundliche Reden sind Honigseim, süß für die Seele und heilsam für die Glieder. (Spr 16,24)

„Freundliche Worte tun gut“, sagt im Gespräch eine Frau zur anderen. Die erwidert: „Ja, wenn sie denn echt sind“ und erzählt über ihre negativen Erfahrungen. In der Tat: Freundliche Worte können aufgesetzt sein, berechnend. Mit wem einmal so umgegangen worden ist, der wird eine Portion Misstrauen an den Tag legen, wird herauszufinden versuchen, ob sie wirklich ernst gemeint sind, oder ob einem da nur Honig um den Bart geschmiert wird, um ausgenutzt oder hereingelegt zu werden. Die vermeintlich freundlichen Worte sind dann verführerische Worte, mit denen keine guten Absichten verfolgt werden und nichts Gutes im Schilde geführt wird. Denn Honig um den Bart geschmiert heißt ja gerade, jemanden mit einem in Aussicht gestellten süßen Geschmack von Worten auf seine Seite zu ziehen, ihn zu verführen.

Solch „freundliche Rede“ meint der Monatsspruch nicht. Wir können die im hebräischen Urtext gebrauchte Wendung umschreiben mit: Freundliches Reden ist von Annehmlichkeit, Schönheit und Freundlichkeit geprägt, frei also von einem irgendwie gearteten Hintersinn. Freundlich zu anderen reden zielt auf das Wohl des anderen. Solche Rede soll ihm gut tun wie Honig mit seiner Süße und seinen Inhaltsstoffen. Und am süßesten und mit den meisten Inhaltsstoffen versehen ist der Honigseim, der ungeläuterte Honig, wie er aus der Wabe abfließt. Das Beste also soll erreicht werden für den, mit dem ich rede.

Nun, damals war der Honig eine sehr begehrte Delikatesse und war in der Regel nur der Oberschicht vorbehalten. Entsprechend hoch stand er im Kurs, wurde mit ihm doch das Wohl des Menschen in Zusammenhang gebracht. Heute ist das so nicht mehr. Freundliche Worte im wirklichen Sinn könnten heute solche sein, die einem runtergehen wie Öl, wie man so sagt. Angenehme, wohltuenden Worte. Wir brauchen sie für unsere Seele, die ja nach Harmonie, nach dem Guten und Schönen strebt, so dass es uns dann wohl geht. Und das auch im körperlichen Sinn. Wir wissen heute von den Zusammenhängen zwischen dem psychischen und körperlichen Befinden, Stichwort psychosomatische Erkrankungen. Es geht uns auch körperlich schlecht, wenn die Seele schmerzt. Freundliche Worte, im Bild wie Honigseim, tun also auch dem Körper gut. Sie richten auf, nicht nur im Kopf und im Herz, sondern stärken auch den ganzen Körper und verleihen ihm Kraft.

Freundlich zu den anderen Menschen reden – ohne Hintersinn, ohne betrügerische Absichten, sondern aufbauend, wohltuend, weiterhelfend. Ein solches Reden kann durchaus auch erst einmal bitter schmecken, wie oftmals Medizin. Die alten Leute sagten früher oft: „Was bitter dem Mund, ist dem Herzen gesund.“ Darin steckt auch im übertragenen Sinn viel Wahres. Wer das Wohl des anderen wirklich will, muss manchmal auch etwas sagen, das dem anderen erst einmal nicht schmeckt, woran er erst einmal zu kauen hat, was ihn aber aufrütteln kann, damit er erkennt, was nun zu seinem eigenen Wohl dient. Solches Reden ist, auch wenn die Worte erst einmal bitter daherkommen, zwar eine Kunst, trägt aber eine große Verheißung in sich, wenn es von wahrer Nächstenliebe geprägt ist.

Am Prägnantesten hören wir freundliches Reden aus den Worten der Bibel. Sie redet von der Liebe Gottes zu uns Menschen - von seinem Werben um uns, unser Wohl und unser Heil. Gott redet freundlich mit uns, will, dass wir nicht verloren gehen, sondern ewig geborgen sind bei ihm, befreit von allen Übeln dieser Welt. Seine Worte sind süßer als Honigseim (Ps 19,11), gerade auch die Worte, die er uns in seinen Geboten und Weisungen gegeben hat und uns Menschen oft nicht schmecken wollen. Doch sie wollen helfen und heilen.

Martin Luther wird der Spruch zugeschrieben: „Die Heilige Schrift ist ein Kräutlein; je mehr du es reibst, desto mehr duftet es. Wie das Wort ist, so wird auch die Seele davon.“ Deshalb, so in einer seiner Tischreden: „Und das ist auch mein bester und christlichster Rath, daß man aus der Bronne oder Quelle Wasser schöpfe, das ist, die Bibel fleißig lese.“[1]

Die Bibel fleißig lesen, umso mehr duften die freundlichen Worte, die uns gesagt werden zu unserem Wohl und Heil. Und sie verändern uns – auch unsere Haltung zu unseren Mitmenschen und unser Reden zu ihnen und mit ihnen. Dass wir mit ihnen stets freundlich reden mit der guten Absicht, die uns der Spruch ans Herz legt: Freundliche Reden sind Honigseim, süß für die Seele und heilsam für die Glieder.

 

[1]      WA TR 4, Nr. 4512, 10-12.