„Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“ Wer in der ehemaligen DDR lebte, kennt diese Parole der Ideologen dieses Regimes. Mancher konnte sich eine Bemerkung dazu nicht verkneifen und sagte: „Ha, manchmal kommt es anders als man denkt.“ Und es kam anders.
Es kam und kommt immer anders, wenn Gott nicht beachtet, ausgeklammert und verdrängt wird und der Mensch sich an seine Stelle setzen will.

Auch zu Zeiten des Propheten Hosea war es so. Er lebte und wirkte in der Mitte des 8. Jahrhunderts vor Christus im Nordreich Israel. Die Menschen lebten in einer kurzen Epoche ohne Kriegsbedrohung durch äußere Mächte und manche von ihnen in relativem Wohlstand. Doch darüber vergaßen viele ihren Gott. Der Glaube an ihn erlahmte. Viele wandten sich fremden Göttern zu. Das beunruhigte Hosea sehr. Er hatte das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk immer als das der Liebe und Treue Gottes angesehen. Doch nun erkannte er deutlich, dass das Volk, das Gott erwählt hatte, ihm nicht mit Gegenliebe und Treue antwortete – und das hieß auch, nicht nach seinem Willen fragte, ihn nicht tat und seine guten Gebote nicht hielt - und es deswegen geradezu ins Verderben läuft.

Gott hatte doch so viel mit dem Volk Israel vor. Er hatte sich diesem Volk in seiner Geschichte offenbart als einer, der mit ihm Gemeinschaft haben will, der es liebt, rettet, trägt, ihm die Treue hält und eine heilvolle Zukunft verheißt. Gott band sich an dieses Volk. Vorleistungen und Verpflichtungen wollte er von ihm nicht, nur die Liebe, das Vertrauen und die Treue zu ihm, damit auch die Erfüllung seines Willens durch die Israeliten, so wie das in einer von Liebe geprägten Gemeinschaft im Normalfall selbstverständlich ist. Dann hätte alles so schön, gut und heilvoll werden können.
Wie sähe das dann aus? Hosea erschienen dazu Bilder. Z.B. das in unserem Monatsspruch: Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maß der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist, den Herrn zu suchen, bis er kommt und Gerechtigkeit über euch regnen lässt!

Es geht natürlich hier nicht um Landwirtschaft, sondern der Prophet will, ja muss sagen:
Gott erwartete und erwartet erstens von seinem erwählten Volk, dass es sein Zusammenleben nach bestimmten Maßstäben gestaltet. Diese sind Gerechtigkeit und Liebe. Gerechtigkeit als ein gerechtes Verhalten gegenüber anderen; Liebe als gegenseitige Loyalität und Hilfsbereitschaft. Beides, Gerechtigkeit und Liebe, sind unverzichtbar für ein gedeihliches und aufs Wohl aller bedachtes Zusammenleben, unverzichtbar für den äußeren und inneren Frieden.
Der zweite Auftrag lautete, Neuland aufzubrechen, Wildwuchs und Disteln zu entfernen, damit der Boden gute Früchte hervorbringen kann. Das öde und mit Unkraut durchzogene Land – ein Bild für den in Bezug auf den durch Lieblosigkeit und Treulosigkeit zu Gott verwahrlosten Zustand des Volkes Israel – muss wieder beackert und fruchtbar gemacht werden. Das bedeutet konkret, Gott zu suchen und sich um seine guten Gebote zu kümmern. Dann kann auf dem verwilderten Land wieder gut geerntet werden, das heißt, dann brechen gute Zeiten fürs Volk an. Denn Gott lässt Gerechtigkeit regnen, womit hier gemeint ist, dass er sein Volk mit heilvollem Ergehen tränkt. Das Säen der Gerechtigkeit und Ernten der Liebe, das Pflügen von Neuland – darin liegt göttlicher Segen für das Volk und somit jeden Einzelnen.

Doch so war es mittlerweile zu Hoseas Zeiten nicht mehr. Die Überzeugung im Volk, dass es zwischen Gott und ihm eine unerschütterliche, feste, heilbringende Gemeinschaft gibt, hatte sich zu einer falschen Sicherheit verfestigt, die dazu führte, dass Liebe und Treue zu Gott verblassten und es deswegen geradezu ins Verderben läuft. Denn wo sich nicht mehr um die Gott entsprechende Liebe und Gerechtigkeit gemüht wird, leidet das friedvolle und gedeihliche Miteinander.

Die Worte und die Sicht des Propheten haben an Aktualität bis heute an nichts eingebüßt. Jesus hatte den Finger auch in diese Wunde gelegt mit seiner Goldenen Regel: Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten (Mt 7,12). Oder noch prägnanter mit seinem Doppelgebot der Liebe: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten (Mt 22,37-40).
Die Missstände, die schon Hosea anprangerte, die sah Jesus ebenso und sind auch unter uns Christen heute deutlich erkennbar. Gottlosigkeit, Gottvergessenheit, Selbstgenügsamkeit, Egoismus (z.B. „Ich zuerst.“ „Meine Familie zuerst.“ „Amerika first.“ „Germany first.“ Oder sogar im zunächst ganz unverdächtig daherkommenden Lebensmotto vieler „Leben und leben lassen“) begegnen uns überall. Und manchmal gehören auch wir dazu. Dass dadurch ein friedvolles und gedeihliches Miteinander erheblich gestört wird, das erleben wir in heutzutage deutlicher als zu manch anderen Zeiten. Wohin wird das führen, wenn das so weitergeht? Diese bange Frage stellt sich da schon. Und man mag gar nicht an einen solchen Ausgang denken wie ihn Hosea vor Augen hatte: an einen Weg, der ins Verderben führt, wie auch immer das aussehen mag.

Ob es uns allen heilvoll ergeht und wir aufs Wohl aller bedacht friedvoll zusammenleben können, hängt daran, ob wir das beherzigen, was Hosea sagt: Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maß der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist.
Gott zu lieben und mit unseren Mitmenschen in Liebe und Gerechtigkeit zusammen zu leben, ihnen gerecht zu werden und ihnen zu helfen, das kann ein jeder: in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, im gesellschaftlichen und im politischen Leben. Wer aufmerksam ist, wird vielfältige Möglichkeiten erkennen und sie hoffentlich auch tun.