Jesus Christus spricht: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Diese Worte hatte wahrscheinlich Jesus ursprünglich nicht selbst gesagt, sondern sind ihm wohl erst vom Evangelisten Matthäus in den Mund gelegt worden. In den Wirren nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. und dem Bruch mit dem Judentum begannen die systematischen Christenverfolgungen. Die Christen in den noch ganz jungen Gemeinden fühlten sich bedroht. Die Frage war, was man da tun sollte: Seinen Glauben verschweigen, verstecken oder weiter über den Glauben an Jesus Christus mit anderen reden und so leben, wie er es vorgelebt hatte? Als Christ unerkannt leben in der Welt oder im Glauben an Jesus Christus ihm nachfolgen? Die Konsequenzen waren klar. Im ersten Fall gab es keine; man wurde nicht behelligt. Das war zweifellos bequemer als im zweiten Fall. Da drohte schlimmstenfalls der Tod, also das Martyrium. Doch solche Konsequenzen gab es bereits schon zu Jesu Zeiten. Wir wissen, wie er angefeindet, bedroht und schließlich gekreuzigt wurde, nur weil er die frohe Botschaft von der Liebe Gottes und der mit ihm anbrechenden Herrschaft Gottes zu den Menschen brachte – eine Botschaft, die die bestehende Welt und all ihre Herrschaftsstrukturen in ihr erschüttert, eine Botschaft, die zugleich aber dem, der sie im Glauben an Jesus annimmt, Gottes Liebe und somit Heil gültig zusagt.
Dass allen, die Jesus nachfolgen und seine Botschaft in Wort und Tat weitertragen, ein ähnliches Schicksal wie ihm droht, das sagt er seinen Jüngern mehrfach. Schlimmstenfalls werden auch sie umgebracht werden wie er, wie es dann in den Jahrhunderten danach unzähligen Christen erging. Matthäus gab nun mit seiner Weisheitsregel in einer solchen Jesus-Rede den Christen in den Gemeinden einen Rat, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie um des Evangeliums willen in Leiden geraten werden. Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Treffender übersetzt: Seid klug/ vernünftig/ besonnen wie die Schlange und unverfälscht/ keine Maske tragend/ nichts Böses wollend wie die Tauben. Wir können den Ratschlag so verstehen: Seid auf der Hut! Bringt euer Leben nicht blauäugig oder gar Martyrium süchtig in Gefahr! Bleibt für die anderen berechenbar, d.h., authentisch und ohne listige, sie austricksende Hintergedanken.
An der Tatsache, dass Christen um ihres Glaubens und ihrer christlichen Lebensweise willen auch heute noch leiden müssen, weil sie angefeindet, verfolgt und auch umgebracht werden, gibt es keinen Zweifel. Wir hören und sehen dies täglich in den Medien. Und aus unserer jüngeren deutschen Geschichte kennen wir das auch. Aber auch heute noch gibt es in unserem Lande Christen, die man es spüren lässt, dass sie wegen ihres Lebens in der Nachfolge Christi hier und da nicht gern gesehen sind. Sie werden „geschnitten“, manchmal als Spinner oder ewig Gestrige einfach links liegen gelassen, manchmal auch mit Hass überschüttet, wie hin und wieder in Leserbriefen von Tageszeitungen. Menschen in der Nachfolge Christi werden im gesellschaftlichen Bereich oft bewusst übersehen, weil sie als lästig oder als Störenfriede in der eigenen „heilen“ Welt empfunden werden. Klar, wer will da schon unbequeme Fragen hören oder mit Gedanken und Argumenten aus einer Botschaft konfrontiert werden, die von der Liebe Gottes und seinem Willen spricht und dabei die eigenen Interessen und das eigene Verhalten infrage stellt? Wer will vom Anbruch des Gottesreiches hören und den Ruf zur Umkehr und zum Glauben?
Allen Christen, die aufgrund ihres Christseins in solche Situationen kommen, drängt sich da natürlich die Frage auf, was am besten zu tun sei, was das klügste, ohne sein Christsein zu verleugnen. Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben, oder wie oben formuliert: Bringt euer Leben nicht blauäugig oder gar Martyrium süchtig in Gefahr! Bleibt für die anderen berechenbar, d.h., authentisch und ohne listige, sie austricksende Hintergedanken. Dieser Ratschlag kann vor falschen, unbedachten Reaktionen bewahren, um nicht in noch größere Not und Gefahr zu geraten. Auch wenn Christen, die ihrem Herrn nachfolgen, mitunter wie Schafe mitten unter Wölfen leben, wie es Jesus selbst sagte, so will er nicht, dass wir unser Leben – auch im übertragenen Sinn - nicht leichtfertig auf das Spiel setzen.