Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
Dieser etwas trutzig anmutende Satz stammt von Hiob. Er war ein rechtschaffener, schuldloser, frommer Mann, der mit seinem ganzen Leben Gott verehrte. Glücklich und wohlhabend wurde er. Doch nun verlor er alles – seinen gesamten Besitz samt den Viehherden, sogar seine Kinder, die Knechte und Mägde. Boten überbrachten ihm die schrecklichen Nachrichten (die sogenannten Hiobsbotschaften). Und jetzt verlor er auch noch seine Gesundheit. Urplötzlich war sein ganzer Körper mit bösartigen, sehr schmerzhaften Geschwüren überzogen. Es war wahrscheinlich die Lepra, die in damaliger Zeit in der Regel zum Tode führte.

Was bedeutet das für einen Menschen, der an Gott glaubt und in solchem Glauben doch nur Gutes von ihm erwartet, so wie bisher? Wieso nun ein so großes Unglück, ein solcher Schlag gegen das Leben? Ist das nicht ein Erweis dafür, dass solcher Glaube nutzlos ist? Hiobs Frau, die mit ihm leidet und es nicht mehr ertragen kann, rät ihm: Hältst du immer noch fest an deinem rechtschaffenen, vor Gott unschuldigem Leben? Fluche Gott, so dass du sterben musst! Doch Hiob lässt sich von Gott nicht abbringen und antwortet ihr: Du redest wie eine unverständige, gottlose Frau. Das Gute nehmen wir von Gott an und das Böse sollten wir nicht annehmen?

Dass der Glauben angesichts von Schicksalsschlägen und Unheil manchmal sehr angefochten wird und als nutzlos erscheint wie bei Hiobs Frau, das kennen wir alle. Tiefpunkte im Leben werden oft zu Tiefpunkten im Glauben. Mancher verliert ihn so wie eine Frau, die in einer Tageszeitung schrieb: „Ich bin christlich erzogen, ge¬tauft und konfirmiert worden und zahle im Jahr 42 Euro Kir-chensteuer, um die kirchlichen Gebäude zu erhalten. Mein Elternhaus steht vor der Kirche. Ich wohne seit 60 Jahren hinter der Kirche und möchte da auch sterben. Vom Leben oft bitter ent-täuscht, habe ich Gott oft auf Knien angefleht. Es kam keine Hilfe. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, mit nur ein wenig Verstand, kann man nicht anders sein, nicht an¬ders empfinden: die Welt und das Leben haben mich zum un¬gläubigen Menschen gemacht.“

Der Verstand gibt ihr wie der Frau Hiobs Recht, weil es unbegreiflich ist, wieso Gott einem solches zumutet. Es ist ja auch sehr schwer, etwas zu akzeptieren und anzunehmen, was mit dem Verstand nicht zu fassen ist, zumal wenn das irgendwie etwas Schlechtes und Böses ist, was einem glücklichen Leben offensichtlich im Wege steht.

Eine Frau erzählt im Fernsehen über sich. Sie ist Mutter von drei Kindern. Das älteste Kind, ein Junge, kam mit einer schweren Behinderung auf die Welt. „Für mich“, so sagte sie, „brach eine Welt zusammen. Der Arzt sagte, mein Kind werde nie sprechen und laufen können. Es werde auch nicht allein essen können und müsse zeitlebens rundum versorgt werden. Ich war wütend zu Gott. Von Kindesbeinen an ging ich treu in die Kirche und engagierte mich, denn mein Glaube war mir wichtig. Doch nun verlor ich meinen Glauben. Denn unbegreiflich war, was Gott mir da zumutete. Es dauerte lange, bis ich durch die Zuwendung meiner Freundinnen und Freunde – die meisten von ihnen sind Christen – merkte, dass da etwas ist, was mir hilft, das Unbegreifliche zu überwinden und es anzunehmen. Ich erkannte, nicht mit dem Verstand, sondern auf unerklärliche Weise, dass Gott sich an meiner Seite befindet, dass er mich und mein Kind liebt und mir helfen will, mit alledem fertig zu werden. Ich fand zu Gott zurück, bekam wieder Boden unter die Füße und wurde ein glücklicher Mensch trotz eines schwerstbehinderten Kindes. Mein Mann stand mir in dieser Zeit ganz treu zur Seite. So entschieden wir uns nach einiger Zeit zu einem weiteren Kind, auch wenn die Ärzte nicht sagen konnten, ob es gesund zur Welt kommen wird. Wir bekamen eine gesunde Tochter und vier Jahre danach noch eine zweite. Wir sind eine glückliche Familie.“

Wenn es nach unserem Verstand geht, spricht vieles, was wir an Schwerem und an Unheil in dieser Welt und unserem Leben erfahren, gegen Gott. Der Glaube aber hat seine Wurzel bei Gott und geht über den menschlichen Verstand hinaus. Solcher Glaube kann auch das annehmen, wogegen sich der Verstand sperrt. Menschen, die einen solchen Glauben haben oder zu einem solchen gefunden haben, können sagen: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?