Ein Mann sitzt auf seinem Krankenhausbett und wartet ungeduldig und voller Hoffnung und zugleich auch ängstlich auf den Chefarzt. Was wird er sagen? Ist die schlimme Krankheit überwunden? Darf er nach dem langen Krankenhausaufenthalt endlich wieder nach Hause und ein Leben führen wie jeder andere? Oder ist es immer noch nicht so weit. Muss womöglich alles wieder von vorn losgehen? Ein banges Warten. Da geht die Tür auf. Der Arzt kommt, setzt sich zu ihm aufs Bett, lächelt ihn an, nimmt seine Hand und sagt: „Die letzten Befunde sind alle in Ordnung. Sie haben die Krankheit ganz überstanden. Ihnen ist ein neues Leben geschenkt worden. Morgen können Sie die Klinik verlassen.“ Der Patient ist überglücklich. Tränen der Freude kullern über sein Gesicht. Für einen Moment hatte es ihm die Sprache verschlagen. Doch dann sprudelt es aus ihm heraus: „Herr Doktor, ich könnte Sie jetzt glatt umarmen. Ja, die ganze Welt könnte ich umarmen, so glücklich bin ich.“
Später, als der Arzt das Zimmer wieder verlassen hatte, geht der Patient ans Fenster und schaut sich wie die vielen Tage davor die Welt da draußen an. Doch nun kommt es ihm vor, als hätte alles einen freundlichen, helleren Schein. So, als würde sie sich mit ihm freuen. Die Vögel sangen herrlicher als sonst. Die Blumen strahlten im glänzenden Sonnenlicht in sein Gesicht. Alles war anders. Nein, er war anders, sah die Welt anders. Er sah sie mit anderen Augen und bemerkte wohl seit langer, langer Zeit, wie herrlich, großartig und schön doch Gottes Schöpfung ist. Nun wieder völlig gesund zu sein, das hatte sein Herz so sehr ergriffen, dass ihm so war, als jubiliere und jauchze die ganze Schöpfung mit ihm.
Vielleicht kennen auch Sie Menschen, die durch ihre Heilung vor lauter Freude die Welt nun mit anderen Augen sehen und es ihnen vorkommt, als ob Gottes Schöpfung sich mitfreut. Die Freude nach überstandener Krankheit, die Bewahrung vor Unheil, das Öffnen von Türen in ausweglosen, sinnlosen Situationen, die Freude, neu anfangen zu können, neue Wege gehen zu können, neue, verlässliche Freunde gefunden zu haben, die sich aufopferungsvoll kümmern. Solche Freude können wir nicht für uns behalten. Alle sollen sich mitfreuen – nicht nur die Mitmenschen, sondern alles um uns herum.
Von einer solchen Freude spricht der Prophet Jesaja zu seinen Landsleuten in der babylonischen Gefangenschaft vor mehr als 2.500 Jahren mit den Worten, die als Spruch für diesen Monat gewählt wurden: Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, Ihre Berge, mit Jauchzen! Denn der HERR hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden. (Jes 49,13). Die ganze Schöpfung soll mitjubeln, soll sich mitfreuen. Denn Gott hat sein Volk getröstet. Unter Trösten ist hier zu verstehen: Gott hat sich erbarmt und in die Not seines Volkes eingegriffen, gemeint ist die Gefangenschaft mit der Trennung von der Heimat und dem religiösen Zentrum Jerusalem. Er hat eingegriffen, um sie zu wenden, auch wenn das jetzt noch nicht für jedermann offen zu erkennen ist. Nun wird alles gut: Befreiung, Heimkehr in das gelobte Land der Väter, Zukunft haben im Leben wie im Glauben. Das wird nun ganz gewiss so kommen. Alle Not hat nun ein Ende. Gott erbarmt sich der Elenden. Riesengroße Freude bei Jesaja. Und alle können sich mitfreuen! Selbst die Schöpfung wird zum Mitjubel aufgerufen, so groß ist sie.
Mehr als 500 Jahre später wird in Bethlehem ein Kind geboren. Was es mit ihm auf sich hat, verkündet ein Engel: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ich heute der Heiland geboren.“ Der Heiland, der Retter ist geboren – allen Menschen dieser Erde bis heute. Trost für die, die im Leben zu kurz kommen, die Leid und Not zu tragen haben, die vergessen werden und die meinen, auch von Gott verlassen zu sein. Trost für uns alle, die wir in einer zerrissenen und kaputten Welt leben und an ihr krank werden, Trost für uns alle, die wir immer wieder schuldig werden an den Mitmenschen, an Gottes Schöpfung und an ihm selbst. Verlorensein nennt das die Bibel. Doch das, so die Weihnachtsbotschaft des Engels, hat ein Ende. Der Heiland ist geboren, der „Heil und Leben mit sich bringt“ (EG 1). Nichts kann ihn, Gottes Sohn, aufhalten, selbst der Tod am Kreuz nicht. Das Ostergeschehen kündet von seinem Sieg – für uns. Deshalb ist Weihnachten ein Fest der Freude. Und jeder soll sich mitfreuen, wenn wir einstimmen: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit. O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen: Freue, freu dich, o Christenheit!“ (EG 44) Und wem diese Botschaft in die Herzen fällt und sich von der Freude anstecken lässt, der sieht die Welt mit anderen Augen, sieht nicht nur Elend, Leid, Not, Versagen von Menschen und so viel Negatives, sondern sieht Licht, spürt Wärme, Liebe und Geborgenheit.