"Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen."
Es gibt nicht so viele Menschen, die „sich das antun“. Denn sobald das nicht den eigenen Interessen dient oder gar einem zum Nachteil wird, ist die Masse der Menschen sehr zurückhaltend mit dieser ansonsten doch gelobten noblen Geste.
Dieses Wort aus den Sprüchen Salomos steht in einer Sammlung weisheitlicher Sprüche.
„Weise“ Männer waren solche, die die verborgenen, aber fest geglaubten Ordnungen des Lebens und der Welt kennen. Sie wollen mit ihrer Lebensklugheit anderen zu ebensolcher weisheitlicher Lebenssicht und Lebensführung verhelfen. Denn diese Klugheit und Lebensweise hilft zu einem geordneten Zusammenleben, in dem jeder in Gerechtigkeit, Frieden, Glück und Wohlstand leben kann – ganz so, wie es dem Willen Gottes und seiner lohnenden Ordnung entspricht.
Die an Gott glauben, wissen: Gott hat schon immer ein besonderes Herz für die Schwachen und Entrechteten. Immer wieder mahnt er , sich besonders für sie einzusetzen. Denn auch schon im alten Volk Gottes lag diesbezüglich vieles im Argen. Wir lesen darüber viel in der Bibel. Die Weisen des Alten Testaments wollen, dass die Menschen ihr Verhalten so ändern, dass Gottes Wille sich erfüllt zu Wohle besonders derer, die zu kurz kommen. In Spruchform erteilen sie Ratschläge. So auch hier: Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen.
Sich so zu verhalten, macht unser Zusammenleben friedlicher und glücklicher. Das ist vollkommen einleuchtend. Aber es ist nie einfach gewesen und ist es auch heute nicht. Doch es gab und gibt immer wieder Menschen, die für die Schwachen und Entrechteten Partei ergreifen – gegen allen Widerstand und oft auch unter eigener Gefahr. Dietrich Bonhoeffer z.B., der gegenüber den Nationalsozialisten mutig eintrat für die stumm Gemachten. Aber auch das Mädchen in einer Schule, das gegenüber Lehrern und Eltern zur Sprache bringt, wie herabwürdigend ein behinderter Mitschüler selbst von Lehrern behandelt wird. Das Ehepaar, das bei der Polizei die Namen von Neo-Nazis auspackt, die in der Nacht zuvor Ausländer angepöbelt und ihnen Nazi-Parolen entgegengeschleudert haben, und die diesen Vorfall auch der Tageszeitung lang und breit schildern wollen, damit möglichst viele ebenfalls ihre Stimme dagegen erheben. Der Arbeitskollege, der bei seinen Chefs für gleiche Arbeitsbedingungen und gleichen Lohn von Leiharbeitern kämpft, weil sie die gleiche Arbeit machen wie er.
Sein besonderes Gewicht bekommt der Spruch dadurch, wenn man bedenkt, dass es ein Rat an Lemuel, den König des Stammes Massa in Nordarabien ist, den ihm seine Mutter eingeschärft hatte. Das heißt doch dann: Wer die Macht hat, hat im Besonderen die Aufgabe, sich um das Los der Armen zu kümmern und ihnen Recht zu verschaffen. Das ist zu keiner Zeit selbstverständlich gewesen. Und auch heute bleibt da noch viel zu wünschen übrig. Tagtäglich hören wir von Skandalen, von Bereicherungen einzelner, auch Politiker, zum Schaden vieler anderer, nicht zuletzt auch jedes einzelnen Steuerzahlers. Gut, dass die Medien darüber berichten. So erfahren wir davon und können als einzelne und als Kirche gezielt das Unrecht beim Namen nennen und uns einsetzen für die, die davon betroffen sind. Eine friedliebende und gerechte Gesellschaft braucht Menschen, braucht vor allem auch Politiker, die ihren Mund öffnen für den Stummen, für das Recht der Schwachen.