P 29.3.2013, Vorstellung am 11.4.2013
Matti Salminen (Gurnemanz) bäckt Brot. Im 1. Akt knetet er den Teig, während er den Knappen von Klingsor und Amfortas erzählt. Im 2. Akt geht der Teig auf. Zum Vorspiel des 3. Aktes schiebt er die Brote in einen riesigen glühenden Backofen, später wird das Brot geschnitten und zu den letzten Takten von den Gralsrittern an das Publikum verteilt. Was mich zuerst fesselt ist , wie das Mehl in Gurnemanz Hände gelangt.
Menschen, die in einem halbkugelförmigen Metallgerüst sitzen und ihre Identität aufgegeben haben (einheitliche weiße Schutzanzüge als Kostüme) lassen aus ihren kleinen Schalen Mehl in eine große, von unten beleuchtete Schale rieseln, die ihnen einer der Knappen bittend entgegen hält. Aus mehreren Metern Höhe rieseln es in goldenen Strahlen. Die Beleuchtung macht daraus einen geradezu mystischen Akt. Viele geben von dem Wenigen, das sie haben …und am Ende wird das Brot für alle reichen.
Es sind diesmal nicht die „großen“ Bilder mit viel (Kran-)Technik (wie beim Valencia-Ring 2007-2009) , die Carlus Padrissa, Gründungsmitglied der katalanischen Theatergruppe La Fura dels Baus, verwendet. Abgesehen von der aus 4 Segmenten bestehenden Metall-Halbkugel und science-fiction-Blütenranken im Klingsorgarten wirkt die Szene geradezu reduziert. Dabei bewahrheitet sich die alte Weisheit: Weniger ist mehr.
Wenn Amfortas seine (Kopf-)Wunde im Gral wäscht, einer riesigen Wasserschale, die wie ein Taufbecken gestaltet ist, und sich das Wasser in Blut verwandelt, hält man den Atem an.
Wenn Parsifal (Marco Jentzsch) im 3. Akt auftritt, nimmt man ihn als dunkle Gestalt wahr. Doch schon füllen mehr und mehr Menschen seinen durchsichtigen Mantel mit ihren Lichtern (rechteckigen LED-Leuchtflächen) und machen ihn zu einer strahlenden Lichtgestalt.
Wenn Kundry (hier gedoubelt) zuletzt in das Wasser des Gralskelches taucht und darin schwimmt, ist das ein sehr nah an der christlichen Taufsymbolik liegendes Bild von Erlösung. Amfortas und Parsifal schweben zeitweise über dem Gral und vom Bühnenhimmel kommen Licht und ein feier, sprühender Wasserstrahl - wie in der Ikonografie zur die Ausgießung des Geistes verwendet. Starke, intensive, unvergessliche Bilder. Durchweg sehr gute Leistungen der Sänger - vornan Matti Salminen, optisch und stimmlich unübertroffen.
Aber dieser „Parsifal“ ist hochgradig disparat. Nicht nur, weil Padrissa den Mythos hinterfragt, ja angreift durch Videosequenzen, die ärgerlich „daneben“ liegen, die nicht passen, vor allem nicht zum Vorspiel 2. Akt. Disparat ist dieser Parsifal vor allem musikalisch. Ja, die akustischen Verhältnisse des Hauses, das eigentlich ein Zelt und Musical-Dome ist, sind schwierig. Der Graben ist sehr tief und macht v.a. bei der Dynamik Mühe. Doch muss „Parsifal“ so harmlos und nüchtern klingen? Es wurde einfach kein Gefühl übertragen. Hatte Markus Stenz sich das Stück geistig nicht zurechtgelegt? Oder warum sonst blieben die Emotionen so auf der Strecke, warum wurden Höhepunkte geradezu degradiert? Die Verwandlungsmusik (1.und 3. Akt) klang heruntergespielt als sei sie bloße „Umbaumusik“. Dazu „Gralsglocken“ – die schlimmsten, die ich bisher gehört habe. Mindestens 2 Töne passten überhaupt nicht – weder zur Partitur, noch zueinander.
Das Orchester bremste auch die Sänger. Musikalisch war Klingsor einfach nur lasch. Das fühlte Samuel Youn (in Doppelrolle als Klingsor/Amfortas für den erkrankten Boaz Daniel) doch kam nicht dagegen an. Selbst Kundrys szenische und stimmliche Power (ausgezeichnet Silvia Hablowetz) vermochte nicht, das Orchester zu befeuern.
Auffällig viele Wackler gab es dann im 3. Akt - im Orchester (leider zum Höhepunkt des Karfreitagszaubers) und im Chor. Amfortas entschloss sich angesichts bisher flüssiger Tempi bei „Mein Vater! Hochgesegneter der Helde…“ zu einem ungewöhnlich langsamen Tempo. Die Folge: weitere Unebenheiten.
"Das Orchester muß wie die unsichtbare Seele sein." (Richard Wagners Bemerkungen zum „Parsifal". Hrsg. von Rüdiger Pohl. Deutsche Richard-Wagner-Gesellschaft, 2002). Wie habe ich das vermisst.