„Die Walküre“ im Köstritzer Spiegelzelt - 18.5.2013
Ein Steinway im Köstritzer Spiegelzelt ist ein ungewohnter Anblick. An diesem Ort eines inzwischen 10jährigen Musik-, Theater- und Kabarett-Festival, denkt man eher an Varieté und Soloshows (Dieter Hildebrandt, Dirk Bach, Götz Alsmann, Eckardt von Hirschhausen, Katharina Thalbach, Wolf Biermann, Ottfried Fischer, Uwe Steimle u.v.a.m.) und natürlich an beste Bewirtung. Doch 2013 widmet sich das Festival erstmalig auch einem klassischem Komponisten und gratuliert Richard Wagner zum 200. Geburtstag.
Intendant Martin Kranz hat dazu Stefan Mickisch eingeladen. Besseres konnte nicht passieren. Und schon hat Weimar seinen „Ring“!
Zugegeben, ich hatte dennoch Zweifel, ob Stefan Mickisch in diesem Ambiente den Zauber würde entfalten können, den ich von ihm kenne - aus Bayreuth und anderswo. Mit einem Wort: Er konnte! Vor einem sehr disziplinierten Publikum (40% war bereits zum „Rheingold“ anwesend), mit hoher Konzentration, trotz Gläserklirren und Schwatzen aus der Küche und schamlos lautem Amselgesang entfaltete er „Die Walküre“, Satz für Satz, Ton für Ton, die intellektuelle und emotionale Seite von Wagners Musik. Leitmotive mit überraschenden Rückbezügen zum Rheingold, Personen-Charakteristika, Tonarten; Wesentliches, oft Humor gesagt: Was ist im Sturm zu Beginn des 1. Aktes? Die Sexte nach oben, die für die Sehnsucht der Wälsungen zueinander steht! Das d-Moll, die Tonart, in der man stirbt, überraschend und mit tiefem Schrecken.
Fricka: Sie hat Recht, aber keiner mag sie. Und: Liebe hat Wagner meistens außerhalb der Ehe gesehen. Die Verheirateten sind verheiratet und die anderen lieben sich.
Die Zuschauerfrage war diesmal ziemlich schwer. Es fand sich niemand, der wusste, was Fricka im Rheingold-Finale zu Wotan sagt/singt und warum. (Lösung: Wo weilst du, Wotan? Winkt dir nicht hold die hehre Burg, die des Gebieters gastlich bergend nun harrt?) Genau diese chromatische Melodie (Mickisch: Liebesfesselung) wird bei Siegfried wieder auftauchen, kurz bevor er Brünnhilde erobert.
Dass Wagner mit nur 2 Noten eine Sinneinheit über den ganzen Ring hinweg schafft, zeigt Mickisch an der Schwert-Oktave. Er spielt das Walkürenthema, den Triolenrhythmus, der so gut den Ritt charakterisiert, eben mal von Wagner über Rossini (Tell) bis Bonanza (Titelmelodie von Jay Livingston und Ray Evans) durch. Dann die energiegeladenen Aktschlüsse. Spätestens im 3. Akt hat der Pianist Mickisch den „Opernerklärer“ Mickisch überholt und das Publikum, vielleicht auch sich selbst, in eine transzendente Situation gespielt. Wie es klingt, wenn Brünnhilde, die das Beste in Wotans Wesen spiegelt, ihren Vater wieder in den Zustand des Liebenden gebracht hat, wie Loge zitiert wird und der Feuerzauber aufstrahlt, dann langsam verlischt, das verzaubert das Publikum.
Ein echtes Geschenk zu Wagners Geburtstag, wenn sich die Kompetenzen eines Musikwissenschaftlers, Philosophen und Mythologieexperten mit denen eines exzellenten Pianisten vereinen.