Ein riesiger Mond steht am Himmel. Lautlos gleitet das Schiff über neblige Wassertiefen, hinter ihm in der Ferne scheint der Horizont zu brennen und Isoldes pp „mir erkoren“ zaubert wie aus dem Nichts Tristan auf diese Szene. „Ist es kein Traum?“ Nein, es sind starke Bilder, die diese nie vollkommen zu beschreibenden Musik aufnehmen wie ein dienendes Gefäß. Danke, David McVicar, für diese Bilder, die sich steigern, die einen „doppelten Boden“ haben – wie am Ende des 1. Aktes. Nicht auf glühenden Kohlen, sondern auf glühende Schiffsplanken stehen Tristan und Isolde da, ihnen brennt der Boden unter den Füßen!

Der 2. Akt ist ein Traum in Blau. Tristan und Isoldes Kostüme sind hier aus (fast) demselben Material – wie ihre Seelen auch - ein Bild im Bilde. Der Ort – hier eine Hafenmole mit Mast – zeigt die Schwellensituation an, in der sie sich befinden: zwischen Festland und Wasser, zwischen Bewusstsein und Unbewusstem. Der Traum in Blau zerbricht im grauen Zwielicht des Tages. Doch auch da stehen Tristan und Isolde wörtlich wie bildlich zueinander (gewandt), immer wieder wird diese Position gehalten. Und nie habe ich einem König Marke so sehr abgespürt, dass er seine Isolde noch liebt. Stephen Milling transportiert dieses Gefühl intensiv mit seinem Bass, der geradezu sanft sein kann. So intensiv, dass sich Isolde ihm kurz zuwendet und ihn berührt – um gleich wieder zu Tristan zu stehen.

„Oh dieser Sonne sengender Strahl…“ Die glühend rote Sonne, die im 3. Akt die Ödnis am Meer bedrohlich beleuchtet, vergisst keiner so schnell. „Brennt sie ewig, diese Leuchte?“ Gefühle im Spiegel der Gestirne!

Als Kurwenal das sehnlich erwartete Schiff noch nicht sehen kann, färbt sich die Sonne grau, und man erschauert. Die Rückenlehne der Bank, auf der Tristan ruht, ist zum Kreuz geformt.

Wenn die frohe Weise aus der Hirtenschalmei tönt, glüht die Sonne wieder bis zu Beginn des Liebestodes. Da färbt sich der Boden blau, die Traum-Nacht beginnt und die Sonne sinkt punktgenau mit dem letzten Takt.

In starken Bildern starke Sänger. Peter Seiffert ist ein Tristan mit lyrischer und heldischen Qualitäten – seine ruhige, saubere Stimmführung und Expressivität (ungebremst im 3. Akt) begeistern. Interessant, dass er im 1. Akt nicht viel von seiner Sehnsucht zeigt. Im Gegenteil, manchmal wirkt er bockig, hat keine Beklemmung, keine Angst, weder vor Isoldes Ausbrüchen noch vor dem Todestrank.

Nina Stemmes Isolde ist von edler Größe und Klarheit, stimmlich souverän, sie weiß, wie weit sie im Spiel gehen kann und muss, stimmlich scheint es keine Grenzen für sie zu geben. Vom ersten Moment an ist dieses Paar eins der wenigen idealen, die in gleicher Weise stimmstark sind und miteinander auf Augenhöhe entwickeln, was in der Musik liegt. Sie agieren authentisch, singen Tristan und Isolde aus sich selbst, müssen nichts spielen (das hat sich die rheinische Frohnatur Seiffert im 3. Akt sicher hart erarbeiten müssen). Seltenes Glück!

Deutlich davon abgesetzt agieren Jochen Schmeckenbecher und Janina Baechle. Kurwenal wird zu Beginn der 4. Szene gleich vom Orchester zugedeckt und hat es auch im 3. Akt schwer, sich jederzeit stimmlich zu behaupten, obwohl er dafür bis an seine Grenzen geht. Seine darstellerische Ausnahmeleistung aber bleibt in Erinnerung.

Janina Baechle wurde von der Regie wenig bedacht, ihre Beziehung zu Isolde bleibt blass, nicht aber ihre schöne Mezzostimme.

Gut besetzt waren die kleinen Rollen mit Ejiro Kai (Melot), Jinxu Xiahou (Seemann) und Marcus Pelz (Steuermann), nur der Hirt (Carlos Osuna) hätte größerer Strahlkraft bedurft. Der von Martin Schebesta einstudierte Chor klang sehr präsent aus dem off.

Franz Welser-Möst dirigiert nicht ökonomisch, sondern – und eben nicht nur an Stellen wie Isoldes Fluch – expressiv mit teilweise beängstigend viel Krafteinsatz. Man sieht: Dirigieren ist körperliche Schwerarbeit und man sorgt sich um ihn. Gleichzeitig ist bei ihm ein hohes Maß an Übersicht und Kontrolle spürbar. Die im Vorspiel komponierte immer leidenschaftlichere instrumentale Vereinigung der Protagonisten entfaltete an diesem Abend noch nicht ganz die hitzige Sogwirkung, der ein spürbarer Absturz in die Kälte (nach Takt 84) folgt. Es gibt bei ihm die intensiven Momente („Der Tod nun sag ihr Dank“) – da steht die Zeit still, aber manches klang auch grob („Dem Tage!...Wie du das Licht…“). Intensität muss nicht laut werden. Auch nicht im 3. Akt, wo die Dynamik manchmal die Sänger überbordete.

Im Ganzen: Das Drama ergreift, die Bühnensprache wird aus der Musik heraus gestaltet – Wagners Forderungen sind erfüllt. Lang anhaltender Applaus!