Vor einigen Jahren besuchte ich mit meiner damals dreijährigen Enkeltochter die Hauptprobe eines Kinder-Musicals in der Kirche. Sie war von der Musik, dem Singen und Spielen der Kinder dermaßen fasziniert, dass sie unbedingt mitmachen wollte, was natürlich nicht ging. Sie protestierte und weinte, weil sie nicht dabei sein konnte. Nur mit Mühe konnte ich sie nach einiger Zeit beruhigen. Es tröstete sie schließlich ein wenig, dass sie in ein bis zwei Jahren mit singen und mit spielen kann.

Aber so ähnlich geht es ja auch uns Erwachsenen. Wir sind traurig, vielleicht sogar wütend und dem Weinen nahe, wenn wir uns ausgeschlossen, benachteiligt oder ausgegrenzt fühlen, oder uns durch Krankheit oder andere widrige Lebenslagen vieles verschlossen bleibt, was unserer Meinung nach zu einem „normalen“, sinnvollen und glücklichen Leben dazu gehört. Wie schön, befreiend und glücklich machend ist es, wenn sich dann doch Türen und Tore auftun. Da wird aus Klagen und Weinen Freude und Jubel.

Im Spruch für den Monat September steht: Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.

Was ist damals passiert, das den Priester Esra zu einem solchen Wort veranlasste? Esra, dessen jüdische Vorfahren in babylonische Gefangenschaft gerieten, der dann dort unter den Persern mit besonderen Vollmachten des Großkönigs zur Wiederherstellung der Ordnung und des Kultes in Jerusalem und dem Bezirk Judäa ausgestattet wurde, kam um die Mitte des 5. Jahrhunderts vor Christus nach Jerusalem und wirkte dort im Sinne des Auftrages des Großkönigs. Dies gestaltete sich schwierig. Zu zerrüttet waren die Ordnung im Lande und die Verhältnisse insgesamt, besonders auch, was den Glauben an Gott, die Ethik und die Ausübung des Kultes betraf. Im Rahmen einer großen Volksversammlung verlas er vor dem Wassertor Jerusalems ausgewählte Stücke aus dem „Buch des Gesetzes Mose, das der Herr Israel geboten hat“. Zusammen mit den neben ihm stehenden Leviten legte er den Versammelten diese Worte Gottes so aus, dass sie sie vollends verstanden und begriffen (die Bevölkerung sprach nicht mehr hebräisch, sondern aramäisch). Das Volk fing an zu weinen. Die Leute spürten angesichts der ihnen vorgelesenen, erklärten und von ihnen ja nun verstandenen Worte auf einmal, wie weit sie sich von Gott eigentlich entfernt hatten. Sie waren erschüttert.

So geht es ja Menschen bis heute. Wer wirklich versteht oder wenigstens zu ahnen beginnt, wie gut es Gott mit ihm und der Welt eigentlich meint, dem kann angesichts ganz anderer Verhältnisse zum Heulen zumute sein, zumal wenn keine Perspektive da ist, wie das Durcheinander im eigenen Leben oder in der Welt je besser werden könnte. Wer da zu begreifen beginnt, welche Orientierung und welche Kraft von diesem Gott eigentlich ausgeht, und dass diese Zuwendung und Liebe Gottes auch ihm gilt, wird wohl erschrecken, wie wenig Gott bisher überhaupt eine Rolle im Leben spielte. Der Katzenjammer kann groß sein. So haben mir schon manche Menschen fast weinerlich gesagt, wie gut es doch alle die haben, die an diesen Gott glauben und aus ihrem Glauben leben.

Esra, Nehemia und die Leviten standen vor einem nun verzagten und erschrockenen Volk. Da sprach nun Esra: Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke. Er sagt damit: Starrt nicht fortwährend auf Zerbrochenes in eurem Leben. Das macht euch krank, bringt euch um den Verstand. Erinnert euch vielmehr an all das Schöne und Gute in eurem Leben. Schönes und Gutes im Leben zu erfahren ist ja nicht selbstverständlich, sondern Gottes Geschenk. Genießt alle guten Gaben, die aus seiner Hand kommen. Es sind gute Gründe, sich an Gott zu erfreuen.

Bei den Versammelten wich das Erschrecken. Die Tränen versiegten. Freude kam auf. Aus verzagten Menschen wurden solche, die sich freuen können, eigentlich stark zu sein. Die Versammlung, die fast einen ganzen Tag gedauert hatte, endete dann mit einem großen Fest, dem Laubhüttenfest, das sie sieben Tage lang feierten und das mit der Bekräftigung des Bundes zwischen Gott und dem Volk abgeschlossen wurde.

Gut, wenn es Menschen gibt, die uns von Gott erzählen, von seinen Geboten, also seiner Ordnung für ein gelingendes Leben, auch wenn das zur Erkenntnis führt und einen kleinlaut werden lässt, weil das eigene Leben seiner Ordnung und seinem Willen nicht entspricht, weil seine Liebe nicht geachtet und seine Gaben nicht geschätzt wurden. Gut aber auch, wenn wir dann gesagt bekommen, dass Gott niemanden deshalb abgeschrieben hat. Sondern dass er in seiner Liebe uns nachgeht und uns mit sich versöhnen will. Es ist so: Was wir an ihm haben mit der Vielfalt seiner Gaben, weiß sicherlich der am ehesten zu schätzen und kann sich darüber freuen, der begriffen hat, das alles von ihm kommt und sich seiner Liebe verdankt und eben niemals selbstverständlich ist.

Dass Gott uns liebt und er selbst in den tiefsten Stunden unseres Lebens nicht von uns lässt, dafür können wir Gott am Ende des Tages immer wieder danken. Und es ist Grund zur Freude und lässt uns stark werden, denn alle guten Gaben, alles, was wir haben - was immer es auch sei – kommt von ihm.