Dem Applaus nach zu urteilen ist Anette Leistenschneider ein Glücksfall für die Inszenierung dieser leider recht selten zu sehenden Oper, sie ist vielleicht sogar ein Glücksfall für das Nordhäuser Theater, an dem sie seit knapp einem Jahr Operndirektorin ist.
Wie sie „Zar und Zimmermann“ inszeniert, ist jedenfalls sehenswert. Szenisch ist alles ständig im Fluss, was bei einer Spieldauer von 1h 45min für den 1.und 2.Akt bis zur Pause wichtig ist. Über manche Längen half das von ihr überarbeitete und mit sehr viel Witz und Ironie aufgepeppte Libretto hinweg.

Das Bühnenbild, ein Schiffsrumpf, der sich öffnen lässt und dann Einblick in einen Salon gewährt, in dem Zar Peter (Yoontaek Rhim) für sich alleine ist. In diesem Raum offenbart er Charaktereigenschaften, die er sonst nicht zeigt: seine Aggressivität - er läßt das Weinglas in seiner Hand zersplittern („Verraten! Von euch verraten...“), aber auch seine Kampfeslust. Zur Arie „Sonst spielt ich mit Zepter...“ entnimmt er einer Truhe Kinderspielzeug: Soldaten und von ihnen getroffene Gegner, und stellt sie zur Schlacht auf. Das wirkt! Der Sänger überzeugt mit rundem Bariton, guter Aussprache und starker Bühnenpräsenz. Der andere Peter, Peter Iwanow (Marian Kalus), war trotz seiner properen und schönstimmigen Marie (Miriam Zubieta). die einen Tick zu ourtriert spielt, und dem Auf und Ab in der Beziehung beider von Anfang an in der schwächeren Position, nicht nur stimmlich. Übrigens hatte die Regie vorsorglich der Introduktion des 1. Aktes eine kurze Sprechszene vorangestellt, damit das Publikum wusste, welcher Peter welche Bedeutung hatte.

Van Bett indessen spielte beide Peter an die Wand, und das muss wohl auch so sein. Publikumsliebling Thomas Kohl kommt vom Liedgesang und Oratorium her und singt sowohl den Figaro, Papageno als auch Bartolo und Monterone. Er hat nicht den tiefen, schwarzen Bass eines Gottlob Frick oder Hans Sotin, ist aber doch stimmlich sehr flexibel, bestens verständlich und dominiert mit Stimme und Spiel, wo immer er auf der Szene erscheint. Vor allem „O sancta justitia!“ gelingt sehr schön im Zusammenspiel mit dem Fagott, dem der letzte Ton, das tiefe F, alleine gehört - wie es in der Partitur vorgesehen ist.

GMD Michael Helmrath dirigierte das Loh-Orchester Sondershausen, das hinter der Bühne in einem Zelt platziert war. Koordinierungsprobleme blieben seltene Ausnahme. Einzig im Sextett (Ende 2. Akt) drang kein Ton mehr aus dem Orchester(zelt) nach draußen, so präsent waren die Bühnen-Stimmen. Eine Frage der Technik? Oder des Prinzips, durchweg den Sängerstimmen den Vorrang zu geben? Ich hätte das Orchester gern präsenter gehabt.

Wieder einmal zeigt sich aber auch bei dieser Inszenierung, dass schnell des Guten zu viel ist. Ich jedenfalls fühle mich nicht wohl, wenn der Marquis von Chateauneuf (Miloš Bulajić) ganz ernsthaft und mit seinem schön geführtem lyrischen Tenor das „flandrisch Mädchen“ besingt, und um ihn herum alles, was weiblich ist, krampfhaft versucht, sich eine Locke abzuschneiden um - wenn er sie entgegennimmt - selig in eine Ohnmacht zu gleiten. Währenddessen kifft das Brautpaar unter der Festtafel. Oder wenn dem eifersüchtigen Peter Iwanow, der eine Tulpenallergie hat, eine eben solche (natürlich orangefarben) an der Nase kleben bleibt und von dort abgeschnitten werden muss. Wo Humor in Klamauk kippt, wird jeder für sich anders definieren. Bei mir geschah es an diesen beiden Stellen. Mit dem Übrigen, den Bierkrügen in Orange (selbst Zar Peters Axt hatte diese Farbe!), Käselaiben und selbst mit dem Ballett, das für seinen Holzschuhtanz im Schwanenseekostüm riesigen Beifall erntete, konnte ich leben.
Zu der am Ende mit standing ovations belohnten Ensembleleistung trugen die beiden anderen Gesandten General Lefort (Yavor Genchev), Lord Syndham (Chao Deng vom Thüringer Opernstudio in Weimar), Witwe Browe (Uta Haase), der Ratsdienter (Benno Busch) und ein Brautpaar (Tanja Henze, Christoph Lax), der Opernchor und Extrachor der Thüringer Schlossfestspiele bei.