Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. (1 Petr 2,9)

Große, starke Worte an uns Christen. Manche fühlen sich zu Recht nicht wohl dabei, wenn sie auf die jüngere Geschichte des deutschen Volkes blicken. Auserwähltes Geschlecht. Da kommen Erinnerungen hoch - an Sprüche über das deutsche Volk, an dessen Wesen die Welt genesen sollte. Völkisch elitäres Denken und Tun -und das als Christ? Ja, so war es weithin. Und auch heute finden wir ein solches Gedankengut noch unter uns - gerade in rechtspopulistischen Kreisen und Parteien.
Doch abgesehen davon ist elitäres, sich von anderen abgrenzendes Denken auch unter Christen und christlichen Gruppen und Gemeinschaften anzutreffen: Wir Christen sind die Auserwählten. Wir sind Gott näher. Wir sind deshalb die besseren Menschen. Wir haben die bessere Moral. Wir werden am Ende, im Jüngsten Gericht, nicht vernichtet, sondern die Krone des Lebens erhalten, usw.
Einem solchen Denken, das muss ganz klar gesagt werden, wird in der Bibel der Boden entzogen.

Das gilt auch für diesen Monatsspruch. Das ergibt sich zwingend aus dem Zusammenhang und dem Thema des 1. Petrusbriefes, das Hoffnung heißt. Christen sollen ihre Hoffnung nicht verlieren angesichts von Bedingungen im römischen Reich und der von ihm geprägten Gesellschaft, die es ihnen schwer machten, ihren Glauben auch zu leben und ihn zu behalten.
Wenn auch das gesellschaftliche und politische Klima heute anders sind als damals, so ähnelt sich doch das Grundgefühl der Christen gerade in Deutschland in gewisser Weise dem damaligen. Die Kirchen verlieren seit Jahrzehnten Mitglieder. Gruppen und Kreise sind meist kaum noch arbeitsfähig. Viele lösen sich auf. Gottesdienstangebote werden vor allem im ländlichen Raum ständig reduziert, in der Regel, weil Mitarbeiterstellen eingespart werden müssen. Es brechen Fragen auf: Warum bin ich denn überhaupt noch in der Kirche, wenn es mit ihr nur noch bergab geht und ich immer weniger von ihr spüre? Warum sollte ich als Christ leben, wo es sich doch ohne Gott und ohne Glauben leichter leben lässt? Hat sich Gott von uns abgewendet, usw.? So stellen sich bei vielen Ratlosigkeit und Gleichgültigkeit ein. Gegen solche Trostlosigkeit und mangelnde Zuversicht steht dieses Wort des Verfassers des Petrusbriefes. Er will sagen: Wie sehr euch das alles auch zu schaffen macht, lasst euch dadurch nicht irritieren. Gott bestimmt den Wert eures Lebens wie bei Christus, dem lebendigen, kostbaren Stein, von Gott auserwählt (V4). Ihr, die ihr an ihn glaubt, seid ebenso von Gott auserwählt und kostbar.[1] Wir können es auch so sagen: Ihr könnt niemals tiefer fallen als in Gottes Hand.
Tröstliche Worte - gegen Hoffnungslosigkeit und schwindende Zuversicht. Worte zur Stärkung in bedrückenden Verhältnissen. Und sie wirken gegen düstere Stimmung und Gedanken, die man leicht bekommt, wenn sich alles gegen uns zu wenden scheint. Und sie ermutigen dann dazu, von den guten Taten Gottes an uns, die wir im Glauben an Christus dann deutlicher erkennen, anderen zu erzählen. Nicht mit finsterem Gesicht anderen Menschen begegnen, sondern hell und von innerer Freude getragen, anderen Mut zu machen und ihnen zu verstehen geben: Wir sind doch nicht allein. Gott lässt uns nicht im Stich. Wir können nicht tiefer fallen als in seine Hand.

 


[1]      Die im Monatsspruch auftauchenden gewichtigen Begriffe, aus dem Alten Testament im bildlichen, übertragenen Sinn übernommen, zielten ursprünglich auf diese inhaltliche Aussage; nicht mehr, aber auch nicht weniger.