Ein nunmehr alt gewordener Mann erzählt aus seinem bewegten Leben: „Meine Mutter lebte mit uns 4 Kindern fast bis zum Kriegsende in Böhmen. Der Vater war im Krieg bereits gefallen. Die Kriegsfront kam gegen Ende des Krieges unserem kleinen Städtchen immer näher. Wir mussten unsere Heimat fluchtartig verlassen. Die paar, die dort bleiben wollten, wurden von den Russen und Tschechen vertrieben, vereinzelt auch welche erschossen. Ein Dreivierteljahr irrten wir in Deutschland umher - immer dem Hungertod nahe und voller Angst vor Leuten, die uns wie Ratten empfanden und so behandelten. Meine Mutter wäre unter diesen Umständen zerbrochen, hätte sie nicht einen so starken Glauben gehabt. Wir Kinder bewunderten sie und hielten uns an ihr fest. Ich selbst aber haderte sehr mit Gott. Ich konnte nicht mehr glauben, dass er es gut mit uns meint, sondern dass er uns wahrscheinlich verlassen hat. Wie oft wünschte ich mir, ihn wenigstens ein klein wenig zu sehen, um Gewissheit zu erlangen, dass er uns nahe ist, uns eben nicht verlassen hat, sondern uns aus dem Elend herausführen wird.


Nach Jahren hatte wir in Bayern eine neue Heimat gefunden und dazu Menschen, die uns in ihre christlichen Kreise aufnahmen, sich um uns, auch um unseren Glauben kümmerten und halfen, dass wir wieder auf die Beine kamen. In einem Gemeindeabend bedachten wir den Bibelabschnitt 2 Mo 33,12-23. Ich war hellwach, als ich von dem Wunsch des Mose hörte, Gott in all seiner Herrlichkeit zu sehen, denn das Elend, die Ungewissheit und Perspektivlosigkeit des Volkes Israel in der Wüste waren erdrückend. Das war doch auch mein Wunsch in den schlechten Zeiten gewesen. Ich verstand Mose, dass ihm die Zusage Gottes zu schwach war, sein Volk trotz des Tanzes um das goldene Kalb, also der Verehrung eines anderen Gottes, nicht verlassen zu wollen, sondern es dennoch durch die Wüste ins gelobte Land zu führen. Ich verstand Moses Wunsch. Ein bisschen  von Gott zu sehen, das wär´s. Totale Gewissheit statt sich „nur“ auf Gottes Versprechen zu verlassen. Doch den Wunsch verwehrte ihm Gott. Da ging es ihm wie mir.
Doch dann dieser Ausgang der Geschichte! Gott sagt dem Mose, dass der Mensch sterben muss, der sein Angesicht sieht. Er vergeht in dessen Herrlichkeit. Dennoch will Gott ihm zeigen, dass er ihm ganz nahe ist und sein Versprechen also gilt und kündigt es ihm mit den Worten an (der  Monatsspruch): Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des HERRN vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will. Und er macht es wahr, indem er Mose in eine Felskluft stellt und ihm die Sicht nimmt, als er an ihm vorübergeht. Mose durfte nur hinter Gott hersehen. Das aber genügte ihm. Denn er „erkannte“ nun, dass Gott es wirklich ernst meint und bei seiner Zusage bleibt: gnädiges Geleit und Erbarmen dem Volk auf dem Weg ins gelobte Land.
Und nun sah auch ich alles, was uns in den Jahren davor widerfuhr, in einem ganz anderen Licht. Im Nachhinein, in der Rückschau, sah ich immer deutlicher, wie gut es Gott in all unserer Not und in allem Elend mit uns doch gemeint hat. Er hat uns bewahrt vor dem Hungertod, hat uns eine neue Heimat finden lassen, dazu viele Menschen, die uns zu wahren Freunden und zu Glaubensbrüder und -schwestern wurden. Und so ist es bis heute. Dafür bin ich dankbar. Ich wollte damals ein wenig von Gott sehen. Das war vermessen. Doch immer wieder, wenn ich in meinem Leben zurückschaute, „hinter ihm her“, da sah ich seine Wohltaten, seinen Segen, seine Bewahrung, seine Hilfe, sein Geleit. Das half mir auch, wenn ich mal an ihm zweifelte. Dass er auch da nicht ferne von mir ist, daran kann ich mich immer wieder festhalten. Und das macht mich zufrieden, gelassen und glücklich.“
Gott in seiner ganzen Herrlichkeit zu sehen. Es gibt in unserem Leben hin und wieder Situationen, in denen wir uns das wünschen. Die meisten sind bescheidener und bitten, dass sie wenigstens ein Zeichen von ihm bekämen. In den Filmfiguren Don Camillo und Pfarrer Braun hat das z.B. seinen Niederschlag gefunden.
Doch Gott gibt mehr als nur ein Zeichen. Er gab uns seinen Sohn Jesus Christus. Der spricht: Wer mich sieht, der sieht den Vater! (Joh 14,9) Und was sehen wir an Jesus Christus? Wir erkennen seine grenzenlose Liebe zu uns Menschen, mit der er sich unser erbarmt, uns tröstet, uns auf unseren oftmals schwierigen und verschlungenen Wegen begleitet, uns unsere Schuld vergibt, neue Wege und neues Leben eröffnet. Die Evangelien sind voll solcher Geschichten. Und bis heute können unzählige Menschen sie mit ihren eigenen Lebensgeschichten ergänzen wie dieser alte Mann, von dem ich eingangs erzählte.
Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des HERRN vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will. Gott meint es gut mit uns, will uns nicht fallen lassen, sondern eine heilvolle Zukunft eröffnen und uns dorthin geleiten. Zur Bekräftigung dieser Zusage erkennen wir in Jesus Christus mehr als nur einen Schein von Gottes Schönheit, Gnade und Erbarmen. Wir erkennen und erfahren Gottes grenzenlose Liebe zu uns.