Am Tisch sitzt ein älterer Mann. Er schreibt einen Brief an seinen Sohn. Lange hatte er dazu gebraucht, mit ihm wieder Kontakt aufzunehmen. Sie waren in einem heftigen Streit sehr aneinander geraten. Der Sohn machte sich daraufhin auf und davon. Seitdem war in der Familie nichts mehr, wie es vorher war. Alle litten darunter. Was machte da noch wirklich Sinn, wenn man sich das Leben gerade in der Familie so schwer macht? Diese Frage schlich sich immer wieder ein. Sie ließ anderes als klein und unwichtig erscheinen, aber die Sehnsucht wachsen, dass es wieder so werde wir früher. Sehnsucht nach ein klein wenig „heiler Welt“, nach Frieden im Haus und in den Herzen. Oft hatte der Vater überlegt, was er dazu tun könne. Die Streitigkeiten aufarbeiten und so beilegen? Doch er befürchtete, dass sie das, was zum Streit führte, nicht wirklich ausräumen können. Der Groll und das Misstrauen sitzen zu tief.

Nun sitzt er über diesem Brief. Er wird lang und beginnt mit einer Liebeserklärung an seinen Sohn. Kein Wort der Rechtfertigung oder auch des Vorwurfes, sondern Worte, die von der Liebe des Vaters zu seinem Sohn sprechen, von Vertrauen. Er wirbt um dessen Vertrauen, lädt ein zu einem Neuanfang. Alles andere sei unwichtig und werde sich finden. Der Vater ist zur Überzeugung gelangt: Das einzige, was uns allen wirklich hilft, ist die Liebe zueinander. Und gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dem anderen unsere Liebe zu erklären und zu zeigen. Liebe überwindet - auch die dunklen Wolken, die den Sinn unseres Lebens verdunkeln.

Der Spruch für diesen Monat steht im Buch des Propheten Jeremia und lautet: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Das sind nun allerdings keine Worte, mit denen ein Mensch einem anderen von seiner Liebe zu ihm spricht. Sondern es ist Gott, der damals durch Jeremia so zu seinem Volk sprach und heute auch uns noch so anspricht. Uns, die wir so oft an ihm zweifeln, weil wir keine klaren Antworten auf Fragen bekommen, die uns unser Leben stellt: Warum gibt es so viel Armut in der Welt, warum so viel Gewalt gegen Schwache? Warum so viel Hass, Menschenverachtung und grausame Kriege? Warum die Bosheiten unter uns Menschen? Warum die vielen Krankheiten? Warum machen wir wider besseres Wissen unsere Umwelt so kaputt und vernichten unsere eigenen Lebensgrundlagen? An solchen Fragen verzweifeln viele oder resignieren. Nun, wer kann solche Fragen ausreichend beantworten? Die Philosophie, die Politik, die Naturwissenschaft? Auch wir, jeder von uns, sucht nach Antworten. Und doch wissen wir, dass solche Antworten nicht ausreichen. Sie erklären nur Sachverhalte, vermitteln Einsichten und bewegen bestenfalls zum Handeln. Aber geben sie auch eine Antwort auf die Fragen nach dem tiefen Sinn unseres Lebens? Sind sie also eine Antwort auf solche Fragen wie: Was macht mein Leben eigentlich lebenswert? Woran kann ich mich in meinem Leben noch halten, wenn aller Boden unter mir zu wanken beginnt?

Auf solche Fragen nach Sinn und Halt, die unsere unruhigen und verzagten Herzen stellen, gibt Jeremia eine Antwort. Er spricht davon, dass Gott uns Menschen liebt und er uns nahe sein will. Durch Jeremia spricht Gott von seiner Liebe zu uns Menschen in etwa so: Ich habe dich schon immer geliebt. Dein Leben ist sinnvoll. Es ist nicht nur ein Zufall, dass es dich gibt. Und du bist auch keinem blinden Schicksal ausgeliefert, das mit dir spielt. Dein Leben hat Sinn, weil ich, Gott, will, dass es dich, ja gerade auch dich gibt. Und du sollst wissen, dass du mir näher bist, als du vermutest, denn ich habe dich zu mir gezogen.
„Halt!“, mag da jemand denken, „in meinem Leben spüre ich davon leider gar nichts. Ich erkenne keine Spuren von ihm.“ Gläubige Herzen aber sehen mehr als das Kümmerliche, oft Destruktive und Sinnlose, was vor Augen liegt. Sie sehen quasi mit den Augen Gottes und sind überzeugt, dass ihrem Leben von außerhalb, von ihm, wahrer Sinn und wirklicher Halt zukommt, extra nos, und erleben es auch so. Und sie sehen, dass solchen Sinn und Halt wir Menschen uns weder erarbeiten noch erkämpfen können. Sondern er wird uns eröffnet, zugesagt und geschenkt und befreit uns zu einem Leben, überall dort für ein solches sinnerfülltes Leben einzutreten, wo Menschen am Sinn ihres Lebens zweifeln. So können sie auch anderen zur Stütze und zum Halt in ihrem Leben werden.