Die Bezeichnung „Kirchenjahr“ als christliches Festjahr, eine Abfolge der Sonntage und Wochen, der Feste und Festzeiten, gibt es seit 1589. Doch schon seit dem 5. Jahrhundert wird die Adventszeit begangen. In dieser Anfangszeit war sie ausschließlich eine Fasten- und Bußzeit zur Vorbereitung auf das Fest der Geburt Christi und auf seine Ankunft bzw. Wiederkunft am Ende der Zeit. Daher bekam diese Zeit die Bezeichnung Advent. Das lateinische Wort „adventus“ bedeutet Ankunft und wurde gebraucht, um eine Gottheit oder auch den Besuch eines Herrschers nach seiner Thronbesteigung anzukündigen. Das Warten und Vorbereiten auf das Christfest und auf Christi Wiederkunft macht deshalb bis heute den Charakter der Adventszeit aus. Im weltlichen Bereich geht dieser Charakter leider weithin verloren. Denn Weihnachten wird bereits schon ab September z.B. mit Weihnachtsleckereien „angefeiert“.

Vielen Christen jedoch ist es wichtig, die Adventszeit nicht in weltlicher Geschäftigkeit untergehen zu lassen. Sie bleiben dabei, diese Zeit grundsätzlich so zu begehen, wie es die Christenheit seit dem 5. Jahrhundert für sinnvoll und wichtig für den Glauben und das Leben erachtete und praktizierte: warten und sich vorbereiten. Wichtig ist sie ihnen, weil sie wissen, von wem sie Hilfe bekommen in ihren Nöten des Lebens, in Dunkelheit, Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit und Depression: von ihrem Herrn Jesus Christus.

Oft jedoch ist es so und ist manchem von uns vielleicht auch schon so ergangen, dass an seiner Hilfe gezweifelt wird, weil auf die Gebete keine Antwort kam und konkrete Hilfe ausblieb. Manche wollen mit einem so scheinbar ohnmächtigen Gott nichts mehr zu tun haben und wenden sich von ihm ab. Das scheint ihnen logisch und konsequent zu sein. Doch Gottes Handeln sperrt sich oft unserer Logik und unserem Erkennen. Er handelt anders. Er bleibt den Seinen wider allem Anschein treu. Seine Treue erfahren sie vielmals anders, als Menschen sie sich ausmalen können – oft nach langer Zeit des Wartens. Das haben viele, die ihm in ihren Nöten dennoch vertraut haben und treu geblieben sind, erfahren.

Warten. Im Warten auf ihn leuchtet Gottes Nähe auf. Der Apostel Paulus z.B. erfuhr dies auch und sagte es so: Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. (Röm 13,12). Jochen Klepper schrieb 1942, wenige Tage vor seinem Suizid das Gedicht „Die Nacht ist vorgedrungen“. Es steht als Adventslied in unserem Gesangbuch. Die Zeilen dieses Liedes trösten viele Menschen und lenken den Blick zum Licht der Auferstehung – selbst im Dunkel der Welt und in der Nacht des Lebens. „Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein“. Dieses Bild hatte er vor Augen, mit dem er in seiner Verzweiflung in den Tod ging.

In einem ähnlichen Bild spricht ein Beter vor vielleicht 2.500 Jahren. In Ps 130,6 lesen wir seine Worte, die als Spruch für diesen Monat ausgewählt wurden: Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen. (nach der Lutherbibel 2016). Ganz tief unten, quasi in der Hölle, ist er in seinem Leben angekommen. Er weiß, Hilfe, um da herauszukommen, kann nur von Gott, seinem Herrn, kommen. Auf ihn wartet er, auf seine Hilfe. Er wartet gespannter als die Wächter auf den anbrechenden, neuen Tag. Denn dann können sie befreit aufatmen, weil die bedrohlichen Schatten der Finsternis nun weichen. Ihm bedeutet die Hilfe Gottes jedoch mehr als nur das Ende von Finsternis. In den beiden Versen danach lesen wir, dass er Gottes Hilfe zu seinem Heil erfuhr. Und zugleich forderte er die Israeliten auf, ebenso auf Gott zu warten und seinem Eingreifen geduldig entgegen zu sehen. Dann werden sie seine Gnade und seine Erlösung erfahren.

Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen. Für uns Christen heißt das: Warten und sich vorbereiten auf den, der unsere Nöte des Lebens kennt, unsere Ausweglosigkeiten, Traurigkeiten, Hilflosigkeit und Niedergeschlagenheit. Jesus Christus. Der hat sie selbst erlebt und überwunden, diese Schatten der Finsterns und des Todes zu einem Leben, das auf ewig frei ist davon, für uns. Erlösung und Heil für uns – durch Jesus Christus. Die Adventszeit – sie ist also eine heilsame Zeit des Wartens und Vorbereitens auf ihn, auf das Fest seiner Geburt und auf seine Ankunft am Ende der Zeit und unseres Lebens.