Hag 1,6: Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel (Monatsspruch).

Das lässt Gott durch den Prophet Haggai den Bewohnern in und um Jerusalem ausrichten. Was Gott hier verkünden lässt, ist eine Feststellung, die wir auch so zusammenfassen können: Alles, was ihr erarbeitet und leistet, reicht nicht zum Leben. Natürlich wissen die Leute das selbst. Aber Haggai beginnt die Botschaft Gottes an das Volk und die Obersten im Land mit dieser realen Einschätzung ihrer ökonomischen Misere, weil er sie davon ausgehend auf etwas hinweisen will.

Doch was war da los, dass Gott die Menschen dort so ansprach?
Es war das Jahr 520 v. Chr. Die Zeit des babylonischen Exils war mit dem Edikt des Perserkönigs Kyros 538 v. Chr. nun vorbei. Das ehemalige Königreich Juda wurde unter dem Perserkönig Darius I. zur selbständigen Provinz Jehud mit einem persischen Statthalter an der Spitze. Im Land herrschten kärgliche Verhältnisse. So lebten zu der Zeit nur noch etwa 10% der Bevölkerung im Vergleich zum Jahr 700 v. Chr. Missernten und Naturgewalten seit Jahren führten nun dazu, dass sie ihren Grundbedarf zum Leben nicht mehr decken konnten. Die meisten von ihnen litten also große Not, aber nicht alle. Es gab auch welche, die ihre Häuser luxuriös mit Holz ausgekleidet hatten. Den Tempel in Jerusalem, das einstige Kultzentrum im Königreich Juda, gab es seit seiner Zerstörung 587 v. Chr. nur noch als verwüstete, in Trümmern liegende Ruine. Ein Kultbetrieb konnte, wenn überhaupt, nur noch stark eingeschränkt erfolgen. Die hungernde und notleidende Bevölkerung sagte, der Wiederaufbau sei jetzt noch nicht dran. Sie zeigte also daran kein Interesse. Die wenigen Wohlhabenden hatten aber aufgrund des luxuriösen Ausbaus ihrer Häuser auch keine Lust dazu. So war an einen Wiederaufbau des Hauses Gottes nicht zu denken.

In dieser Situation bekam der Prophet Haggai den Auftrag, Gottes Wort den Oberen und dem Volk zu verkündigen und sie zum unverzüglichen Wiederaufbau des Tempels zu motivieren. Denn, so die Botschaft, die rechte Zeit zum Wiederaufbau ist jetzt. Sobald die Arbeiten beginnen, werde ich, Gott, meine Herrlichkeit erweisen und mit euch sein.
Wie die Mahnung zum Wiederaufbau aufgegriffen wurde, was Gott im Einzelnen verheißen hatte, nämlich eine Segenswende, das soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Nur so viel: Beginn der Aufräumarbeiten am 21.09.520 v. Chr., Tempelgrundsteinlegung am 18.12.520 v. Chr.; Vollendung der Bauarbeiten am 01.04.515 v. Chr. (nach Esra 6,15).

Gottes eindringliche Aufforderung, dass jetzt der Wiederaufbau des Tempels oberste Priorität haben muss, das ist das Hauptthema der Botschaft des Propheten. Segen, Frieden und Heil werden folgen, so besonders im 2. Kapitel zu lesen. Wir können seine Botschaft auch so zusammenfassen: Von der Wiederherstellung des Hauses Gottes als Kern des Kosmos hängt Gottes dauerhafte Gegenwart ab und zieht ein gedeihliches, gesegnetes Leben nach sich. Baut ihn daher unverzüglich wieder auf.
Wir wissen, diese Prophezeiung ist so direkt nicht in Erfüllung gegangen. Die Zukunft hält Gott offen. Er bindet sich nicht an ein von Menschen gemachtes Haus. Doch hat der Tempel über ein halbes Jahrtausend lang die Geschichte Jehuds und Jerusalems außerordentlich mitgeprägt, sowohl religiös als auch wirtschaftlich. Jesus selbst hat in ihm auch gelehrt. Aber insgesamt war er durch den Tempelkult und die Geldwirtschaft als Haus Gottes sehr in die Kritik geraten – besonders bei Jesus, der die Händler und Geldwechsler aus ihm vertrieb. Zudem machte er deutlich: Wozu noch einen Tempel, wenn der Sohn Gottes nun unter euch gegenwärtig ist? So verließ ihn Jesus schließlich und sagte sogar seine Zerstörung an. Segen und Heil hängen eben nicht von der Existenz des Tempels ab, sondern Gott lässt das in seiner Freiheit und Gnade denen zukommen, die ihm vertrauen und ihr Leben nach seinem Willen ausrichten, wie ihn Jesus verkündete und ihn lebte. Das war und ist Jesu Botschaft.

Von da aus ist der Gedanke des Apostels Paulus nicht mehr so weit, der den Christen in Korinth schrieb, dass der Leib der Christen ein Tempel des heiligen Geistes ist. Der jedoch stammt von Gott (1 Kor 3,9.16). Das heißt, Gott wohnt in denen, die aus dem Glauben an Jesus Christus leben. Durch den Glauben an ihn und die Taufe auf seinen Namen sind Christen mit ihm, mit Gott verbunden – ganz eng, ganz lebendig. Von Gott her fließt zu uns Christen Kraft, fließen Lebensgaben, die wir für ein besseres, gerechteres und friedlicheres Miteinander in der Welt einsetzen sollen. Gott nimmt Anteil an unserem Leben. Und er gibt Anteil an seinem Leben. Das alles ist die lebendige Wirklichkeit seines heiligen Geistes. So ist Gott gegenwärtig bei uns, lässt es in unserem Leben blühen und gedeihen, lässt uns in solchem Segen unverdient sonnen und schenkt uns Heil und ewiges Leben.
Klar, in unserem Leben blüht und gedeiht es oft nicht so üppig, wie wir es gern hätten. Und mancher erleidet sogar solch bittere Not, wie es Gott durch Haggai beschreibt: Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt's in einen löchrigen Beutel.
Wir aber bessern das letztlich nicht, wenn auf dem, was wir dagegen zu tun gedenken, kein Segen drauf liegt. Und den können wir nicht selbst machen, wie sehr wir uns auch anstrengen. Segen und Heil hängen letztlich auch nicht davon ab, ob wir eine Kirche bauen oder nicht. Sondern Segen und Heil kommen allein von Gott, sind dem Menschen unverfügbar. Gott sagt uns im Segen Hilfe und Begleitung zu. Und im Glauben an Jesus Christus, Gottes auferstandenen und im heiligen Geist gegenwärtigen Sohn, macht er unser Leben heil. Und deshalb wird letztlich alles gut – für immer, weil nun unter uns der wohnt, „der Heil und Segen mit sich bringt“, wie wir im Adventslied „Macht hoch die Tür“ dankbar und mit Freude singen.

Von daher gesehen können uns Nöte in unserem Leben helfen, in uns zu gehen und uns zu fragen, wie es eigentlich um unseren Glauben, um unser Vertrauen zu Gott steht. Bin ich also z.B. mit ihm noch unterwegs in meinem Leben? Spielt er da noch eine entscheidende Rolle? Was habe ich falsch gemacht? Was sollte ich nach seinem Willen tun? Die Antworten darauf werden nicht darüber entscheiden, ob die Nöte nun bleiben oder nicht. Die Fragen aber, wenn wir über sie mit Gott reden, verhelfen dazu, im Glauben zu wachsen an den, der sagte: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28) Er trägt mit. Er stärkt uns. Er lässt uns gewiss werden, dass wir in unseren Sorgen, Nöten und in unserer Verlorenheit nicht zugrunde gehen, sondern in Gottes Hand geborgen sind – was auch immer kommen mag.