Was wird das Jahr 2016 uns bringen? Gutes oder Schlechtes? Freudiges oder Schmerzliches? Wir wissen es nicht. Sicherlich ist von beiden etwas dabei. Aber wir hoffen, dass uns Schmerzliches, Not- und Leidvolles erspart bleiben möge. Woran aber können wir uns festhalten, wenn es doch anders kommen wird? Die Losung für das Jahr 2016 kann dazu tatsächlich zu einer Losung, also zu einem Wahlspruch, zu einem Motto werden, das als Richtschnur dient: Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. (Jes 66,13)

... wie einen seine Mutter tröstet, spricht der Prophet. Ja, wie tröstet denn eine Mutter? Wir erinnern uns, wie das war, als uns unsere Mutter tröstete. Was tat da besonders gut und half gegen den Schmerz von Wunden und im Herzen? Mütter können gut trösten, aber auch Väter, Omas und Opas und auch andere. Doch zumeist haben wir Frauen und Mütter vor Augen, wenn es um das Trösten geht.

Jeder Mensch, der Defizite im Leben erleidet, braucht Trost. Die Menschen z.Z. des Propheten – vor etwa 2.500 Jahren – brauchten ihn auch. Sie gehörten zu den Heimkehrern aus dem Exil in Babylon. Große Hoffnungen hatten sie vor ihrer Heimkehr: endlich frei sein von fremden Herrschern, endlich im Tempel wieder Gottesdienste feiern, endlich die eigene Wohnung in der Heimat, dem gelobten Land. Doch als sie ankamen in Jerusalem, trat bald eine große Ernüchterung ein. Die Zustände in der Stadt und im Tempel waren schlimmer als erwartet. Trümmer über Trümmer – und Menschen, die ihnen nicht freundlich gesonnen waren. Viele Rückkehrer verließ der Mut. Denn die Lage war trostlos. Das hatten sie nicht erwartet, sondern solche Verhältnisse, wie sie ihnen ein Prophet – wir nennen ihn Deuterojesaja - im Exil prophezeit hatte: Gott führt euch in die Heimat. In ihr wird alles gut werden. Er macht mit euch einen Neuanfang. Doch dieser Neuanfang schien angesichts der Verhältnisse, die sie vorfanden, unmöglich zu sein.

In ihre trostlose Lage hinein sprach nun dieser Prophet – wir nennen ihn Tritojesaja. Er verkündete dieses Wort Gottes: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Es wird oft gesagt, zumal wenn ein lieber Mensch verstorben ist und Worte der Bibel als Trostworte gesprochen werden: „Schön wär’s, um wahr zu sein.“ Viele halten nichts vom Zuspruch Gottes und seinen tröstlichen Worten. Sie messen ihren Wahrheitsgehalt an den Realitäten, die sich scheinbar nicht verändert haben, und winken ab.

Wir schauen auf Bethlehem 500 Jahre danach. Eine armselige Frau bringt in einem Stall ein Kind zur Welt. Aber es ist kein normales Kind, sondern in ihm kommt Gott mitten ins Dunkel unserer Welt. Der armselige Stall wird zum Ort der Freude.

Etwa 33 Jahre danach hängt dieser Jesus am Kreuz. Unterm Kreuz steht seine Mutter. Sie kann ihn nicht trösten. Sie leidet mit, auch deswegen, weil andere spotten: Anderen hat er geholfen und kann sich nicht selbst helfen. Wenige Tage danach wird der Gekreuzigte von seinen Jüngern gesehen. Er redet mit ihnen, isst mit ihnen. Er lebt! Damit ist klar: Gottes Liebe ist sogar stärker als der Tod. Oder auch anders gesagt: Gott ist da, wo wir keine Hoffnung mehr haben. Er ist da, wo wir am Ende sind. Er ist sogar da, wo wir meinen, selbst Gott habe uns verlassen – nun kommt nur noch Elend und der Tod.

An Jesus Christus aber kann jeder sehen, dass Gott uns Menschen nahe ist – auch oder besonders in trostlosen Zeiten.

Wie aber tröstet nun Gott?

Es gibt in Nehemia 8 eine eindrückliche Schilderung. Ein Großteil des Volkes Israel versammelt sich nach diesen Strapazen und Enttäuschungen, weil es nach langer Zeit wieder einmal das Gesetz des Mose hören soll. Der Priester Esra liest es einen ganzen Tag lang vor. Die Leviten helfen, es auszulegen, damit das Volk es besser versteht. Da fangen sie zu weinen an. Es ist ihnen klar geworden, was sie alles falsch gemacht haben – auch gegenüber Gott. Esra, Nehemia und die Leviten versuchen, das Volk zu trösten, indem sie sagen: Dieser Tag ist heilig dem HERRN eurem Gott; darum seid nicht traurig und weinet nicht...Geht hin und esst fette Speisen und trinkt süße Getränke und sendet davon auch denen, die nichts für sich bereitet haben; denn dieser Tag ist heilig unserm Herrn. Und seid nicht bekümmert; denn die Freude am HERRN ist eure Stärke. (Nehemia 8,10). Es soll jetzt ein Festmahl gefeiert werden, denn dieser Tag, an dem Gott wieder zu seinem Volk spricht, ist ein heiliger Tag.

Gott tröstet also durch sein Wort. Diese Worte zeigen, wie sehr Gott die heilsame Gemeinschaft mit seinem Volk wieder herstellen will. Das Volk hört heraus: Ihr gehört wieder zu mir, eurem Gott. Ihr dürft bei mir sein. Ich habe euch lieb. Das Wort „trösten“ hat im Hebräischen gerade bei diesem Vers die Bedeutung: „Erneuerung der Gnadengemeinschaft“ – und zwar aus Liebe.

Das stärkste Zeichen von Gottes Liebe zu uns ist, dass Jesus für uns gestorben und auferstanden ist. In ihm hat Gott, der alles neu macht, ein Gesicht und eine Gestalt. Er will Tag für Tag mit uns sein – in den Höhen und Tiefen unseres Lebens. Sein Wort breitet Segen aus, verkündet Gnade, zeigt uns seine Liebe und verheißt uns letzte und ewige Geborgenheit. Es ist sehr tröstlich zu hören, wie er um uns wirbt, sich um uns sorgt, um uns kämpft, selbst bis in den Tod. Er will sein Bestes für uns, seine Kinder. Das tröstet. Nicht durchs Vergessen und Verdrängen kommt der Trost, wie manche uns raten, sondern durch solche Worte Gottes.

Erstaunlich und fast einmalig ist, dass uns hier die mütterliche Seite Gottes gezeigt wird. Der große allmächtige Gott – unser Vater im Himmel - begegnet uns auch in herzlicher Mütterlichkeit. Er sagt es zu: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!

Vor diesem Hintergrund nun doch noch einmal die Frage, nun grundsätzlicher gestellt: „Wie tröstet denn eine Mutter? Wie tröstet dann Gott?“ Nur drei kurze und auch nicht erschöpfende Antworten:

  • Kinder tröstet, wenn die Mutter kommt und da ist.
    So tröstet auch Gott. Er kommt uns zu Hilfe. Er will ganz bei den Menschen sein. So ist Weihnachten auch ein Fest des Trostes und auch deshalb ein Freudenfest, weil Gott selbst zu uns gekommen ist. Er will uns ganz nahe sein. Aber sein Trost geht weiter. Jesu Leiden und Sterben am Kreuz zeigen uns seinen Einsatz für uns – bis in den Tod hinein ist er da für uns. Ich kann nie tiefer fallen als in seine Hände. Das ist der Trost, der selbst bis in die Tiefen unseres Daseins reicht – totales Dasein an unserer Seite.
  • Eine Mutter tröstet durch Zuspruch.
    Wir kennen es von unseren Müttern, die dann sagten: „Ist schon gut. Ich bin doch da.“ Sie wissen, dass es wieder gut wird, auch wenn es im Moment gar nicht danach aussieht. Sie blicken vom guten Ende, vom Zukünftigen her auf das Jetzt. Und das Kind hält sich an dieser Zusage fest. Es tröstet, weil die Zukunft offen gehalten wird für ein gutes Ende
    „Fürchtet euch nicht. Ich bin bei euch!“ So sprach Gott zu unzähligen Menschen in ausweglosen Situationen ihres Lebens. Die Bibel erzählt oft davon. So ist sie auch ein Trostbuch für uns heute. Sie haben Worte, Trostworte, die tragen und stärken. Unzählige Male erzählen sie von Gott, der die Zukunft offen hält und so alles wieder in Ordnung bringen wird. Gottes Worte sind sein Zuspruch für verletzte Herzen, öffnen die Zukunft für unser Leben und halten sie offen. Denn sie sagen uns, seinen Kindern, sein kommendes Reich zu, in dem es kein Leid, kein Schmerz und kein Geschrei mehr geben wird. Das ist die tröstliche Botschaft, die von Ostern her kommt.

So, liebe Schwestern und Brüder, tröstet Gott – eben wie eine Mutter einen tröstet.
Wie aber können wir trösten? Können wir das überhaupt? Ich denke, jeder, nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer als Seelsorger. Denn wer von Gott getröstet ist, der wird ganz gewiss auch andere trösten können. Wie Gott mit seinem mütterlichen Trost wird er sich nun auch dem anderen zuwenden können. Er wird Worte finden – aus der Bibel oder aus den eigenen Glaubenserfahrungen mit Gott, die die Zukunft für ihn offen halten und Wege dorthin zeigen. Trösten durch Zuwendung und durch Zuspruch. Dabei brauchen wir vor allem Geduld zum Zuhören. Das können wir lernen. Schwierig ist es, wenn der andere gar nichts sagt oder nichts sagen kann, weil es ihm die Sprache verschlagen hat. So erleben wir Seelsorger es oft, vor allem in Trauerhäusern. Da fällt es nicht leicht, einfach mit zu schweigen. Aber auch das können wir lernen. Was wir aber nicht im Voraus lernen oder üben können ist, das richtige Wort zur richtigen Zeit zu finden. Das aber kommt von allein, so wie eine Mutter von allein die richtigen, die tröstenden Worte zur richtigen Zeit für ihr Kind findet.

So wünsche ich uns allen, dass wir auch im Jahr 2016 Gottes Trost erfahren, wenn wir ihn brauchen, und dass er uns befähigt, auch andere mit seinem Zuspruch zu trösten!