Es wird in unserem Lande nicht viel über den eigenen Glauben gesprochen. Da ist es schon erfreulich, wenn hin und wieder Menschen z.B. in Fernsehgottesdiensten darüber erzählen, wie sie Gott erfahren haben in ihrem Leben und es dann auch veränderte. Oder wenn sich im alltäglichen Leben jemand als Christ zu erkennen gibt, indem er seine Glaubenserfahrungen mit Gott und dessen Beistand anderen mitteilt. Es sollen doch auch die anderen erkennen, welch einen Lebensschatz wir Christen mit Gott haben.

Manchmal gehört ein Stück Überwindung dazu, so über sich und seinen Glauben zu reden. Doch im Grunde genommen braucht keiner Angst zu haben, sich so zu outen. Das ist in manchen Ländern anders, dort, wo die Mehrheit der Menschen einen anderen oder auch gar keinen Glauben hat und man will, dass es auch so bleibt, z.B. in streng muslimischen Ländern, in Indonesien, in China. Und wer in der DDR gelebt hatte, kennt das auch: Druck und Repressalien gegen die, die über ihren christlichen Glauben freimütig und offen redeten, ungeachtet, ob es dem Regime passte oder nicht. Die dann auch bereit waren, die Konsequenzen zu tragen.


Paulus wurde in Jerusalem von der römischen Besatzung verhaftet und einige Zeit danach ins Gefängnis nach Cäsarea überführt. Grund: Die Juden bezichtigten ihn eines Sakrilegs (Vergehen gegen Heiliges) im Jerusalemer Tempel, das sogar von den Römern als solches anerkannt wurde und auf dem die Verurteilung zum Tode stand. Der Tumult unter den Juden war sehr heftig. Paulus durfte sich jedoch zu diesem Vorwurf und noch weiteren, gegen ihn gerichteten Anklagen der Juden vor den Prokuratoren verteidigen, zuletzt auch in Anwesenheit des jüdischen Königs Agrippa. Paulus spricht, so lesen wir es in der Apostelgeschichte des Lukas, dabei über sich selbst als strenggläubigen Pharisäer und Christenverfolger, seine Berufung und Beauftragung durch Christus, der ihm vor Damaskus erschienen war, und über seine Missionstätigkeit. Der Prokurator kann in alledem nichts Straffälliges feststellen. Doch unter den Juden erregt Paulus´ Rede wiederum großen Ärger, denn Christus war tot. Wie kann er dem Paulus erschienen sein, sein Leben total verwandelt und ihn zum Apostel berufen haben? Paulus aber lässt sich durch die tobende Menge nicht einschüchtern. Er beklagt auch nicht sein jetziges Schicksal. Sondern er bekennt ihnen gegenüber: Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Groß und Klein.

Wir wissen, sein Leben war nicht immer einfach. Manchmal schien alles zu zerbrechen, was seinen Glauben und seinen Auftrag ausmachte. Und doch hielt er daran fest und machte dann immer wieder die Erfahrung von Gottes Hilfe – im persönlichen Leben und in seinem Bemühen, Menschen für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen und christliche Gemeinde zu gründen. Doch von seiner vielen Arbeit und Kraft, die er hineingesteckt hatte, von seinen Sorgen dabei und seinen überstandenen Gefahren redet er nicht, sondern: Gottes Hilfe habe ich erfahren. Die schwierigen Erfahrungen und die Hilfe, die er dabei immer wieder erfahren hatte, haben ihn immer wieder mutig und stark gemacht, nun auch vor den römischen Prokuratoren.

Worauf verlassen wir uns im Leben? Die meisten Menschen denken nicht so oft darüber nach. Und wenn doch, dann wird das an ganz handfesten Dingen festgemacht: die Familie, das Netzwerk von Freunden und Gleichgesinnten, der Glaube an den Fortschritt und das Gute im Menschen usw. Christen setzen an erste Stelle Gott und erzählen manchmal dann auch ihre Lebens- und Glaubensgeschichte mit ihm, über den Halt, den sie von ihm in schwierigen Situationen bekommen haben. Über die Hilfe, die sie in den Strudeln des Lebens, bildlich gesprochen über Wasser und am Leben hielten, die sie stärkte, Hoffnung und Mut machte und dem Leben wieder neuen Sinn gab. Es ist gut, wenn Christen darüber nicht nur nachsinnen, sondern auch darüber reden – frei und überall dort, wo sie es für angebracht halten. Wie sollen andere auch sonst erfahren, dass es einen Gott gibt, der treu und verlässlich zu einem steht, mag kommen was will. Denn alles Irdische, worauf wir uns im Leben verlassen, ist brüchig: die Ehe, die Familie, Freundschaften, Sicherheiten, die sich in Wissenschaften und Gesellschaften anzubieten meinen. Die eigene Erfahrung mit Gott, sie soll andere anstecken. Und sie stärkt uns zugleich im Glauben, macht mutig, diesen Glauben auch zu leben.
Manchmal kostet das allerdings, wie gesagt, auch ein Stück Überwindung– selbst in Zeiten, in denen das frei und ohne Gefahr geschehen kann. Doch auch in bedrohlichen, feindlichen Situationen wird es der nicht lassen können, der sich ganz in Gottes Liebe geborgen weiß - mag kommen, was will. Er wird Gott und seinem Glauben an ihn nicht untreu und ihn wegwerfen - den oftmals einzigen letzten Halt im Leben - und wird das nicht nur für sich behalten, sondern darüber erzählen, wo immer er es meint.

Nicht nur Paulus ist ein solcher Zeuge gewesen. Unendlich viele Christen waren und sind es bis heute. Viele gingen und gehen dafür sogar in den Tod, z.B. die Märtyrer, und bezeugen dabei, wie sie in ihrem Leben Gottes Beistand erfahren haben. Heute sind es meist namenlose Christen in Syrien, Pakistan, China usw.

In diesem Jahr schauen wir besonders auf Martin Luther. Auch an ihm sehen wir und wissen wir von ihm: Es hilft und macht mutig, wenn man sich an Gottes frühere Hilfe erinnert.
Martin Luther wurde vom Kaiser auf Betreiben der damaligen katholischen Kirche mit dem Wormser Edikt für vogelfrei erklärt, weil er seine reformatorische Lehre, die in den Augen der katholischen Kirche eine Irr- und Ketzerlehre war, nicht widerrufen hatte. Später schrieb er viel über Gottes Beistand, den er immer wieder erfahren hatte. In der Trostschrift „Tessaradecas...“ an seinen schwer erkrankten Landesherrn, Kurfürst Friedrich den Weisen, geschrieben im Jahre 1520, sagte er es mit den Worten: „Niemals empfindet man die Hand Gottes kräftiger über sich, als wenn man die Jahre seines vergangenen Lebens betrachtet.“1

Paulus bezeugt öffentlich Gottes Beistand in seinem Leben als Apostel und erzählt über seine Verkündigung des Evangeliums. Das können und sollen auch wir tun: von Gottes Hilfe und Unterstützung erzählen, auch von den geschenkten, guten Tagen. So können auch andere aufmerksam werden und Gott ebenso erfahren wie wir.

1  WA 6,110,31-32. Titel der Trostschrift: Tessaradecas consolatoria pro laborantibus et oneratis (=Vierzehn Tröstungen für Mühselige und Beladene).