Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut (Lk 15,10). Dieser Satz Jesu kann unter die Haut gehen und sehr zu denken geben.
In einer Gemeindekirchenratssitzung steht die Aufstellung einer Kandidatenliste für die Neuwahl des Gemeindekirchenrates auf der Tagesordnung. An einer Person entzündet sich eine heftige Diskussion. Die Pfarrerin hatte einen Kandidaten vorgeschlagen, der nach seinem Zuzug in einem Gespräch mit ihr bekundet hatte, kandidieren zu wollen. Zuvor hatte er ihr aus seinem Leben berichtet, über seine Zugehörigkeit zur Volkspolizei in besagtem Ort, und wie er so manchen über die vielen Jahre schikaniert hatte, doch andererseits seine Kinder heimlich in einem anderen Ort taufen ließ und er selbst schließlich über diesen Weg dann auch zum Glauben fand.Er erkannte nun, so bekannte er der Pfarrerin, was für ein böser Mensch er gewesen sei. Als die DDR unterging, habe er fernab der Heimat eine christliche Gemeinschaft gefunden, in der er aussprechen konnte, was ihn nun so sehr belastete, und wo er Vergebung zugesprochen bekam und trotz allem ein im Glauben nun fröhlicher Mensch wurde.

Er erzählte der Pfarrerin auch, dass er aus Reue mehrere Jahre lang in einem Pflegeheim arbeitete und dort die schmutzigsten Arbeiten ausführte. Es sei ihm ein Bedürfnis gewesen, ein wenig wieder gut zu machen, was er anderen Menschen angetan hatte. Nun sei er wieder zurückgezogen in seinen Heimatort, dorthin, wo er einmal als Volkspolizist tätig war und wolle sich mit seiner ganzen Kraft in der Kirchgemeinde und für die Menschen einbringen.
Die Mehrzahl der Kirchenältesten entrüstet sich, dass die Pfarrerin überhaupt diesen Vorschlag machte. Es fallen solche Sätze wie: „Da kommt einer her mit einer solchen Vergangenheit und will Kirchenältester werden. Niemals! Es ist schon schwer zu ertragen, dass er in unseren Gottesdiensten sitzt. Der hat uns als Christen das Leben auch manchmal schwer gemacht. So einer hat bei uns nichts verloren. Der meint´s sowieso nicht ehrlich mit Buße und seinem Willen, hier bei uns mitarbeiten zu wollen. Wer weiß, was da dahintersteckt.“ Die Frage der Pfarrerin, ob es denn nicht möglich sei, dass ein Mensch in seinem Leben eine 180-Grad-Wendung vollziehen kann, bejahen sie grundsätzlich. Doch jeder Fall sei genauestens zu prüfen und in diesem Fall sei es gänzlich ausgeschlossen. Die Pfarrerin lässt nicht locker und fragt, ob sie bereit seien, mit ihm über all das auch zu sprechen. Sie bekommt eine Abfuhr. Resigniert bemerkt sie schließlich, dass sie diese heftige Gegenreaktion nicht erwartet habe. Sie sei davon ausgegangen, dass sich andere mitfreuen, wenn ein Sünder wieder zurückgefunden hat zu Jesus Christus und in seine Gemeinschaft.
Ja, irgendwie ist das schon zu verstehen, wie sich die Kirchenältesten verhalten. Sie, die ihren Glauben auch unter den schwierigen Verhältnissen der DDR und ihrem verlängerten Arm in Gestalt des Volkspolizisten gelebt haben, sollen ihn nun akzeptieren und mit ihm Gemeindeleben gestalten, so, als sei nichts geschehen? Und irgendwie können wir auch verstehen, wenn Christen zurückhaltend sind gegenüber solchen, die sich nicht so verhalten haben, wie man es von einem wahren Christen erwartet. Oft, weil sie nicht glaubwürdig erscheinen oder an ihrem rechten Glauben gezweifelt wird. Da wird sich schwer getan, fröhlich und herzlich miteinander in der Gemeinde tätig zu sein.
Bei Jesus aber sieht das ganz anders aus. Er macht das vielen Menschen, darunter Pharisäer und Schriftgelehrte, mit drei Gleichnissen deutlich. In einem sagt er: Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut. Er sagt das vor allem gegenüber den Rechtgläubigen, die auf Disziplin und Treue zum jüdischen Gesetz bedacht waren und es verwerflich fanden, dass Jesus sich um Menschen kümmerte, die es vermeintlich nicht verdient hatten, zu Gott zu gehören.
In den drei Gleichnissen geht es um Verlorenes und Wiedergefundenes: Gott als Hirte, der auf der Suche nach einem verlorenen Schaf ist. Gott als Frau, die ihren verlorenen Groschen sucht. Gott als Vater, der auf seinen verlorenen Sohn wartet. In allen drei Gleichnissen gibt es kein Aufgeben, bis das Verlorene wiedergefunden bzw. wiedergewonnen wurde. Jesus macht mit den drei Gleichnissen deutlich, dass er der von Gott Gesandte ist, um den Verlorenen nachzugehen. Die Verlorenen sind die Sünder. Er will sie zurückholen in die Familie Gottes, damit möglichst keiner fehle.
Wer sich finden lassen will, wird umkehren und zu ihm laufen. Wird seine Hand ergreifen. Wird dabei das Bisherige, das ihn auf falschem Wege wandeln ließ, abtun. Mit anderen Worten: Er wird Buße tun und sich seine Sünden vergeben lassen, damit er als Geretteter im Lichte Jesu neu anfangen kann – mit ihm und mit den Menschen.
Den Verlorenen gefunden und ihn vor dem Verlorensein gerettet. Darüber freut sich der Himmel, sagt uns Jesus. Denn jeder Mensch ist Gott wichtig, nicht nur die, die durch ihren Glauben an Jesus Christus bereits als Gottes Kinder „in Sicherheit“ sind.
Viele Christen haben aus unterschiedlichen Gründen die Verbindung zu Gott gekappt. Oft nehmen wir das hin, ohne noch einmal auf denjenigen zuzugehen, den wir aus der Familie Gottes verlieren. Es müsste uns eigentlich jedes Mal traurig machen. Jesus aber nimmt es nicht hin. Er sucht sie - auch durch uns soll es geschehen - und manche lassen sich finden, kehren um und finden sich in der Gemeinschaft der Christen ein. Jubel beim himmlischen Hofstaat. Und bei uns? Ist dies alles nicht auch Grund genug, sich mitzufreuen statt argwöhnisch dreinzuschauen?