Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. (Lk 1,78-79)
Diese Worte bilden den Abschluss des Gotteslobes des Zacharias zur Geburt seines Sohnes Johannes, dem späteren Täufer, wie sie uns der Evangelist Lukas übermittelt hat. Sie künden das aus himmlischen Sphären aufgehende Licht an, die Sendung Jesu und mit ihm das von Gott herkommende Heil.

Verheißungsvolle, hoffnungsvolle Worte. Mit dem damals erwarteten Messias, dem dann erschienenen Jesus bricht Heilszeit an. Für die, die in Finsternis und Schatten des Todes sitzen bzw. sich aufhalten – und letztlich sind wir alle das doch -, wird ein Weg, und das heißt hier eine Lebens- und Glaubenshaltung eröffnet, die zu Jesus Christus führt, dem Bringer des Heils, des göttlichen Friedens.

Viele Menschen sind im Glauben an Jesus diesen Weg gegangen – damals zu seinen irdischen Zeiten und bis heute. Sie sind Jesus gefolgt, haben ihm und seiner Botschaft vertraut, haben durch ihn Gerechtigkeit, Heil und Frieden gefunden und die Kraft bekommen, dass die Schatten des Todes und die Finsternis dieser Welt sie nicht überwinden.

Am 10. Dezember jährt sich zum 75. Mahl der Todestag Jochen Kleppers. Aus lauter Verzweiflung und Ausweglosigkeit durch den furchtbaren und lebensbedrohlichen Druck des Nazi-Regimes sahen er, seine Frau und Tochter keinen anderen Weg, als sich selbst das Leben zu nehmen. In all den Jahren zuvor bis zu seinem Todestag hielt er das Erlebte in seinen Tagebüchern fest. Wir wissen daher, wie sehr er mit seiner Familie – seine Frau war zudem Jüdin, die sich allerdings später taufen ließ - unter dieser Naziherrschaft litt, und sich immer mehr in der Finsternis und den Schatten des Todes sah. Doch wir wissen von ihm auch, wie er trotz aller Ausweglosigkeit Halt und Trost im Wort Gottes fand. In Jesus sah er das helle Licht in der ihn umgebenden, immer unheimlicher werdenden Nacht dieses Naziregimes.
In der Woche vom 3.bis 10. Dezember 1942, der letzten Woche vor seinem Tod, stehen über seinen Tagebuchaufzeichnungen die verheißungs- und hoffnungsvollen Worte unseres Monatsspruches. In jener Woche war klar geworden, dass nach eine Zwangsscheidung des Ehepaares beiden das Konzentrationslager drohte. Aus seinen Aufzeichnungen wissen wir auch, dass er wohl wusste, dass eine Selbsttötung dem Willen Gottes widerspricht und Sünde ist. Aber er setzte in seinem unerschütterlichen Glauben an Gott auf dessen große Gnade und Vergebung. In solchem Glauben schrieb er zuvor: „dass der Morgenstern aufgeht über unseren Untergang hinweg, und untergehend noch durch fremde und durch eigene Schuld können wir den Blick an gar nichts anderes mehr heften als an jenen Morgenstern.“ Und wenige Stunden vor seinem Ende stellte sich das Ehepaar eine segnende Christusfigur auf und Jochen Klepper schrieb: „Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der uns umringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“
Es ist sehr beeindruckend, dass sein Blick sich angesichts der Todesschatten, der Verzweiflung und Ausweglosigkeit nicht nach unten senkte wie bei so vielen Menschen, sondern nach oben wandte, Christus, dem Morgenstern zu. Der Morgenstern ist ja ein altes christliches Symbol für Jesus Christus. Klepper sah ihn schon immer mitwandern durch alle Nächte der Welt, weil er der Stern Gottes war, der schon zu Urzeiten zu seinem Volk sagte: Ich bin, der mit euch ist, und der diese Zusage in Jesus Christus bekräftigte. Niemand braucht sich vor Gott zu verhüllen. Klepper hatte keine Angst vor Gott als Richter, denn er erkannte in ihm das Angesicht Jesu Christi wieder.
Wohl am klarsten und eindrücklichsten drückt Klepper dieses feste, unerschütterliche Vertrauen zu Gott in seinem Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“ aus. Es ist von der christlichen Erfahrung geprägt, dass sich doch was ändert, auch wenn es nicht so aussieht. Es ist die Erfahrung von Weihnachten.

Gott kommt zur Welt, in der es keinen göttlichen Glanz gibt, sondern es ganz dunkel ist. Nicht nur die hellen Feste und die schönen Momente im Leben eines Menschen machen Gottes Nähe fühlbar. Er ist auch und besonders da, wo man nichts mehr von ihm spürt. Für jeden, der keinen Ausweg mehr sieht, für jeden, den die Angst, die Sorgen, Alterserscheinungen, Krankheit und Ungerechtigkeit niederdrücken. Für jeden Armen, Vereinsamten ist Gott nahe. Sogar über den Tod hinaus. Dieser Morgenstern, dieses aufgehende Licht aus der Höhe scheint als Licht in die Finsternis und vermag in finsterster Nacht auch unsere Herzen zu trösten.
In einem weniger bekannten Weihnachtslied dichtete Klepper:

Glaubst du auch nicht, bleibt er doch treu.
Er hält, was er verkündet.
Er wird Geschöpf – und schafft dich neu,
den er im Unheil findet.
Weil er sich nicht verleugnen kann,
sieh ihn, nicht deine Schuld mehr an.
Er hat sich selbst gebunden.
Er sucht: du wirst gefunden!

Er sucht: du wirst gefunden! Da kommt die Weissagung des Zacharias zum Ziel: Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Er sucht. Du wirst gefunden.