Es ist vollbracht! Mit diesem Wort endet die irdische Geschichte Jesu. Abgebrochen ist sein Weg. Nach menschlichem Ermessen ist das das endgültige Ende. Zu sehen ist Jesu Tod, seine Niederlage. Er hängt am Kreuz auf Golgatha. Das musste er sogar selbst dorthin tragen. Und er hat es getragen, hat diese Last auf sich genommen. Unzähligen Menschen ist er so zum Vorbild geworden. Sie haben dann auch ihr Kreuz getragen. Die Leiden zu tragen, dazu hat Jesus schon vielen die Kraft gegeben. Nicht, weil er das Leiden verherrlicht, sondern weil die, die an ihn glauben, die Liebe Gottes im eigenen Leben spüren und in der Welt am Werke sehen, nämlich als Sieg der Liebe Gottes über die Bosheit der Menschen und über das Leid in der Welt.


Was ist vollbracht? Es ist das, was im Anfang des Johannesevangeliums steht: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14) Vollbracht ist, was an anderer Stelle des Johannesevangeliums so beschrieben wird: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." (Joh 3,16) Vollbracht ist die Tat der Versöhnung. Vollbracht ist, was der Täufer Johannes sieht und sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.“ (Joh 1,29) Vollbracht ist der Sieg der Liebe Gottes über die Sünde der Welt. Aus dem Bösen lässt Gott Gutes hervorgehen.


Es ist nun an uns, das Leiden und Sterben Jesu als Geschenk der Versöhnung wahrzunehmen, gelten zu lassen und anzunehmen. Ja, es ist ein Geschenk. Ein Geschenk gegen den ewigen Tod. Und mit diesem Geschenk kann unsere Angst vor ihm weichen. Er verliert seinen Schrecken. Leiden und Tod sind zwar nicht aufgehoben, aber mit der Kreuzigung Jesu haben ihre Herrschaft und ihre Schrecken ein Ende gefunden. Und wenn Gott sein ewiges Reich vollendet, gibt es sie nicht mehr. Denn der Gekreuzigte hat im Tod gesagt: Es ist vollbracht! Damit Leid, Schuld und Tod ein Ende und wir das ewige Leben haben.


Dieses Geschehen gilt, egal, ob einer glaubt oder nicht. Keiner, auch der größte Atheist, kann es ungeschehen machen. Christus ist für jeden Mensch gestorben. Natürlich kann das Geschenk auch ausgeschlagen werden, indem nicht an den Gekreuzigten und Auferstandenen geglaubt wird. Doch für die, die ihm vertrauen, kommt Gottes Liebe zum Zug und verwandelt ihr Leben schon heute und vollendet es in der Ewigkeit. Und alle, die an den Gekreuzigten glauben, haben die Aufgabe, all den anderen Menschen zu bezeugen: Nichts kann uns mehr trennen von der Liebe Gottes. Um dieser Liebe willen geschieht das, was am Kreuz geschehen ist.


Es ist vollbracht, sagt der Gekreuzigte. Das werden wohl nur die gehört haben, die um das Kreuz standen. Die Liebe ist, wie auch hier, schon immer auf leisen Sohlen unterwegs, oder, wie Paulus sagt, sie bläht sich nicht auf. Sie äußert sich eher in unauffälligem, alltäglichem Handeln: in der Barmherzigkeit, in der Liebe zu unseren Mitchristen und zu unseren Mitmenschen.


Zu solchem Handeln ermutigt das Kreuz. Denn es ist das Zeichen göttlicher Liebe in dieser Welt. Diese Liebe ist sich, so sehen wir es beim Gekreuzigten, zu nichts zu Schade. Es ist vollbracht! So ist das Kreuz auch ein unüberbietbares Zeichen für die Hinwendung zu denen, die leiden und sterben. Christen halten sich an das Kreuz, das Zeichen göttlicher Liebe in unserer Welt. Nun ist es auch uns anvertraut. Manchmal tun wir uns allerdings schwer damit, so schwer, dass es kaum zu erkennen ist in einer Welt, in der scheinbar nur noch die Selbstsucht herrscht und vielen Menschen so viel anderes in der Welt zum Gott ihrer Eigensucht wird. Wo das geschieht, verkommt das Kreuz, das da an einer Kette am Hals getragen oder in die Haut tätowiert wird, schnell zum bloßen Schmuck. Und es wird oft auch missbraucht. Im Zeichen des Kreuzes geschieht manches Unrecht und sogar Frevel, Lieblosigkeit und Bosheit. Und schlimm ist, dass wir uns darüber noch nicht mal sonderlich aufregen. Dass Liebe und Solidarität dennoch eine Chance behalten, liegt auch an uns. Die Kälte und Abgestumpftheit in der Gesellschaft, aber auch das Zerbrechen von Beziehungen unter Menschen, die uns nahe sind, darf uns nicht gleichgültig lassen. Unser Mitleiden, unsere Beteiligung, unsere Einmischung sind nötig - im Kleinen wie im Großen. Da gibt es auch keine ausweglosen oder scheinbar alternativlosen Fälle und Verhältnisse, denn es ist ja eine andere Haltung möglich – die der Liebe, wie sie der in die Welt gebracht hat, der am Kreuz sagte: Es ist vollbracht! Nun gibt es nichts mehr, was hinzugefügt werden müsste. Es ist alles getan – Höhepunkt und Vollendung seiner Liebe für die, die zu ihm gehören - zum Leben in solcher Liebe, zur Vollendung hin zum ewigen Leben in solcher Liebe. Es ist vollbracht!