Es war Sonntag in einem kleinen Dorf. Die Glocke der Kirche läutete das erste Mal zum Gottesdienst. Der Pfarrer der Nachbargemeinde kam. Er hatte die Vertretung übernommen. Eine Kirchenälteste, die den Küsterdienst übernommen hatte, begrüßte ihn. Er sah sich in der Kirche um. Alles hatte sie hervorragend vorbereitet. Nun brauchten nur noch die Besucher zu kommen. Die Kirchentür aber öffnete sich nicht. Beim vollen Geläut war immer noch keiner da. Da fragt der Pfarrer die Kirchenälteste, ob sie wüsste, wo die anderen blieben. Sie antwortet ihm: „Herr Pfarrer, da wird wohl keiner mehr kommen. Meist bin ich mit einer anderen Frau allein. Die scheint aber heute auch nicht zu kommen.“ Der Pfarrer überlegt kurz, was er machen soll. Dann macht er ihr einen Vorschlag: „Da wir doch nur zu zweit sind, halte ich einen verkürzten Gottesdienst. Oder noch besser. Wir führen ein Bibelgespräch zum Predigttext.“ Kaum hatte er es gesagt, protestiert sie: „Herr Pfarrer, nein, ich will, dass wir den Gottesdienst mit voller Liturgie, den Lesungen, Gebeten und Liedern feiern. Ich brauche das.“ Er fügt sich. Zunächst kommt ihm das Ganze ziemlich jämmerlich vor, wie eine Ein-Mann-Veranstaltung - und mit den Liedern von der CD und dem kläglichen Gesang. Doch im Gesicht der Kirchenältesten sieht er Freude und Dank aufstrahlen. Und er weiß, es war richtig so. Irgendwie weiß sie sich offensichtlich in einem solchen Gottesdienst Christus besonders nahe.

Mir fiel diese Begebenheit, die mir dieser Pfarrer einmal erzählte, wieder ein, als ich den Spruch für den Monat April las Jesus Christus spricht: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,21). Die Situation der Jünger damals ähnelte der in der Kirche in diesem kleinen Dorf.
Wenige Tage nach der Auferstehung Jesu versammelten sich einige der Jünger in einem Raum – ohne Jesus. Er fehlte ihnen. Sie sind unsicher. Mancher von ihnen hatte vielleicht schon etwas gehört von dem, was Maria Magdalena erlebt hatte, da am Ostermorgen im leeren Grab Jesu. Doch war die ganze Sache unsicher. Was sollte man davon halten? Am besten die Türen schließen, sich einigeln vor der Welt, die da draußen wie eh und je ist, so als wäre nichts geschehen. Vielleicht ist auch wirklich nichts geschehen?
Da tritt Jesus auf einmal ein. Sie wissen nicht wie. Doch er ist da, ist lebendig! Und sie hören seinen Friedensgruß. Er wirkt wie ein Weckruf, wie es uns die späteren Berichte zeigen. Er ist da, der ihnen so viel Hoffnung auf ein neues Leben gemacht hatte mit seinem Wort Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben (Joh 11,25f.). Er ist da, der vom Vater im Himmel zu den Menschen Gesandte, dass die Welt durch ihn gerettet werde (Joh 3,17). Er ist da – dieser Retter, der Heiland. Neue Hoffnung keimt auf und die Gewissheit auf dieses neue Leben, das er verkündet hatte. Nun wird sicher alles gut. Freilich, unter die Freude mischte sich dennoch immer wieder der Zweifel, wie wir aus der folgenden Geschichte vom zweifelnden Thomas erfahren. Doch die Freude und Gewissheit sind stärker.


Die Kirchenälteste in dem kleinen Dorf wollte einen Gottesdienst feiern, wie sie ihn kannte und brauchte. Ohne die liturgischen Stücke gerade im Eingangsteil, ohne die ganzen Lesungen und Gebete fühlte sie sich leer, allein, ohne die Nähe Christi. Doch ihn brauchte sie für ihr Leben, für ihren Alltag da draußen in der Welt, für die Begegnung mit anderen Menschen. Sie war eine streitbare Frau mit viel Liebe zu ihren Mitmenschen, mit einer aufrechten Haltung als Christin, mit viel Mut, ihren christlichen Glauben auch denen gegenüber zu bekennen und über ihn zu erzählen, die hinter ihrem Rücken sich lustig über sie machten. Sie wusste sich angesprochen wie die Jünger damals, denen der Auferstandene nach seinem Friedensgruß den Auftrag gab: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Die Sendung Jesu, die Mission Gottes, soll weitergehen, nun mit Hilfe derer, die zum auferstandenen Herrn gehören. Auch die Kirchenälteste wusste sich angesprochen und beauftragt und handelte danach, wo immer sie unter den Leuten war. Dazu brauchte sie aber ihn, seine Nähe.


So wie Christus den Jüngern von damals an immer wieder nahe ist, wie den unzähligen Christen seither und dieser Kirchenältesten, so ist er uns allen immer wieder nahe – in seinem Wort und Sakrament, diesen Heilsmitteln des heiligen Geistes, den Christus damals den Jüngern nach der Sendung gegeben hat. Die Gabe des heiligen Geistes bevollmächtigt und befähigt dazu, Jesu Werk fortzusetzen.


Seither weiß sich die Christenheit zur Mission berufen. Doch nur die Minderheit folgt seinem Ruf. Von den meisten, jedenfalls hier in Europa, gehen wenig missionarische Impulse aus. Der Glaube ist zur Privatsache geworden. Über ihn zu sprechen haben wir verlernt. Das hat viele Ursachen. Jeder aber kann sich prüfen, was ihn daran hindert. Das wäre ein guter erster Schritt, anderen Menschen einen Weg hin zum Glauben und in die Gemeinde zu eröffnen und sie dabei zu begleiten. Es braucht dazu keine großen Programme und Aktionen. Es braucht nur uns – jeden einzelnen – als Beauftragte Jesu Christi, gesandt mit seinen Worten: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.