Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? (Monatsspruch) Jesus sagte das seinen Jüngern, als er ihnen vor Augen führte, dass es für die, die bei ihm bleiben und ihm nachfolgen, unter Umständen lebensgefährlich werden kann. Seine Verkündigung vom Reich Gottes, von seiner Liebe und von seinem Willen, ist der Welt, in der es doch so ganz anders zugeht, ein Dorn im Auge. Jesus wurde deswegen angefeindet. Er wusste, er wird deswegen leiden und auch sterben. Seinen Jüngern kündigte er das an und verschwieg ihnen nicht, dass es auch ihnen so ergehen könnte, wenn sie bei ihm bleiben und ihm nachfolgen.
Ihm nachfolgen heißt immer, ihm zu vertrauen und Gottes Willen treu zu bleiben. Das aber wird in dieser Welt nicht konfliktfrei bleiben. Es kann sein, dass die, die ihm treu bleiben, ebenfalls ihr Kreuz auf sich zu nehmen haben und sogar damit rechnen müssen, ihr Leben auch zu verlieren.

„Von der Nachfolge“, so ist dieser ganze Abschnitt der Rede Jesu überschrieben. Nach seiner Kreuzigung und Auferstehung kam es so, wie er es angekündigt hatte. Aus der Anfangszeit der Kirche wissen wir von Todesschicksalen von Aposteln und zahlreichen anderen Märtyrern. Und bis heute werden in vielen Ländern Christen, die ihren Glauben nicht verleugnen, sondern standhaft bleiben, verfolgt, gefoltert und auch umgebracht. So drastisch geht es in aufgeklärten, christlich geprägten, modernen Gesellschaften in der Regel nicht zu. Doch ist das gesellschaftliche Klima nicht immer christenfreundlich. Das vor allem dann, wenn Christen eine vom Glauben an Christus geprägte Meinung vertreten und an ihr festhalten, die anders ist als die, die die Masse der Menschen hören wollen und die den Politikern gefällt. Das Evangelium steht oft quer zur Welt. Und wer sich z.B. konsequent für notleidende Menschen einsetzt, etwa für Flüchtlinge, oder für Gerechtigkeit, Gleichbehandlung, Menschenwürde für alle, der muss damit rechnen, dass er aufs Korn genommen wird. Dass Bürgermeister und Politiker wegen ihrer christlichen Haltung Morddrohungen bekommen und welche sogar tatsächlich umgebracht werden, das gibt es leider auch schon.

Vor diesem ganzen Hintergrund gewinnt das Wort Jesu Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? unsere besondere Aufmerksamkeit. Das hat es ja ansonsten meist nicht. Und das liegt sicherlich auch daran, dass bei vielen nicht so recht klar ist, was es überhaupt heißt, Schaden an seiner Seele zu nehmen. Und das hängt meist mit dem Wort Seele zusammen. Die Vorstellungen, was die Seele ist, sind zumal in heutiger Zeit sehr schillernd. Mit „Seele“ lässt sich für uns heute eigentlich kaum noch etwas Bestimmtes verbinden. Sie wird vielmals mit „Psyche“ verwechselt. Beide sind jedoch nicht deckungsgleich. Psyche kann man in Teilfunktionen, wie z.B. Denken, Fühlen, Wollen usw., aufgliedern. Seele aber meint ein Ganzes. Psyche charakterisiert ein Individuum und ist empirisch fassbar. Seele übersteigt das Individuum und ist letztlich nicht fassbar. Sie hat Kräfte subjektiver Dimension (das bewusste Ich) und objektiver Dimension (das Unbewusste mit seinen kollektiven und objektiven Gehalten, wie Familie, Gattung, Gesellschaft und andere Wesen, zu denen der jeweilige Mensch in Beziehung stand oder steht). Diese Kräfte sind nicht ausgewogen, was sich oft in seelischen Konflikten äußert. Die Seele ist demnach zu verstehen als die in jedem Menschen lebendige Strebekraft, mit sich selbst in völlige Übereinstimmung zu kommen. Dass der irdische Mensch das nicht erreicht, ist unbestritten. Denn selbst am Ende seines Lebens bleibt vieles noch offen, ungelöst, unfertig. Gott in seiner Liebe will aber, dass alles abgeschlossen und vollendet wird, damit die Seele des Menschen heil wird und er wahrhaft Frieden findet. Für die, die an Christus glauben, beginnt das Seelenheil bereits heute und wird vollendet in der Ewigkeit. Dieses Werden und Vollenden war die Botschaft Jesu vom Reich Gottes. Er verknüpfte sie mit dem Glauben an sich und verkündete: Ich gebe ihnen (denen, die an ihn glauben) das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen (Joh 10,28).

Nun wird deutlich, was es heißt, Schaden an seiner Seele zu nehmen. Die Seele kann nämlich kaum oder gar nicht zur Vollendung kommen. Wir können auch sagen, das Reich Gottes mit seiner völlig veränderten Lebenswirklichkeit kommt kaum oder gar nicht auf den Menschen zu, kann für ihn demzufolge nicht bereits heute schon anbrechen und seine neue Lebenswirklichkeit völlig vollenden. In dieser neuen Lebenswirklichkeit gibt es keine Tränen mehr. Alle Übel dieser Welt sind überwunden und Gott wohnt mit uns Menschen in gegenseitiger Liebe. Dahin, auf dieses Ziel hin, das wir auch das ewige Leben nennen, strebt die Seele eines jeden Menschen, ob er an Christus glaubt oder nicht. Doch nur im Glauben an ihn und also mit ihm erreicht sie dieses Ziel. Mit allem anderen, worauf der Mensch im Leben setzt und wonach er strebt, verfehlt er sein Seelenheil.

Wir könnten sogar die ganze Welt gewinnen, sagt Jesus. Aber dann hätten wir keinen wirklichen Nutzen davon, weil unsere Seele dabei „unter die Räder kommt“. Das aber ist die Wirklichkeit, die wir in unserer Welt vor Augen haben. Das schnelle Geld, der rasante Fortschritt, die erkaufte Freiheit, die rigorose Selbstverwirklichung, das lustvolle Abenteuer. All das hat seinen Preis. Der enorme Verlust von Umwelt- und Lebensqualität etwa. Aber auch der Verlust von Menschlichkeit und Würde, von Familie, Freundschaften, Gemeinschaft und Geborgenheit, auch der von seelischer Ganzheit und Ausgewogenheit und von körperlicher Gesundheit. Es sind Verluste des Lebens hier und heute und in Zukunft. Sie sind die Kehrseite vom vermeintlichen Gewinnen. Vor ihnen hat Jesus die Menschen gewarnt und sie zugleich eingeladen, den wirklichen Schatz des Lebens zu suchen, den es nur bei ihm und mit ihm gibt: den Frieden mit Gott, den Frieden untereinander und den Frieden mit sich selbst. So wird die Seele heil und findet Frieden in seinem ewigen Reich– heute beginnend und einmal für immer.