Bei Besuchen von Gemeindegliedern, die einen sehr hohen Geburtstag feiern, werden die Jubilare oft gefragt, wie sie es denn geschafft haben, so alt zu werden und dabei noch so rüstig zu sein. Nur von wenigen hörte ich Antworten so wie diese: „Ich weiß nicht, wie es gekommen ist. Zu verdanken habe ich es nur Gott. Er hat mir jeden Tag neu geschenkt – ob es gute Tage waren oder auch mal schlechte. Er hat mich bis hierher geführt und seinen Segen über mich ausgebreitet. Das habe ich immer gespürt. Ich kann ihm nur dankbar sein.“ Manchmal hat jedoch auch eines der Kinder oder Enkelkinder gemeint, sagen zu müssen, dass es doch ihrer guten Pflege und Versorgung zu verdanken sei. Und dann lenkten sie schnell zu einem anderen Thema über.

Gott zu danken, das tun meist nur noch ältere Menschen. Die jüngeren stellen sich die Frage kaum, wem sie für ihre Lebensjahre zu danken haben; für liebevolle Eltern, für gesunde Kinder, für die Bewahrung in Not, für die Überwindung lebensbedrohlicher Krankheiten und von Leid. Wem sie zu danken haben für die Fortschritte in Medizin und Technik, für so viel glückliche Stunden und liebevolle Menschen an ihrer Seite. „Warum einem Gott danken bei dem Beinahe-Unfall neulich. Da hatte ich Schwein gehabt, Glück im Unglück. Und wem sollte man auch für die Technik und die Medizin danken? Wir Menschen haben es aus Forscherdrang und Tüchtigkeit bis zum heutigen Fortschritt und zu den Annehmlichkeiten des Lebens gebracht. Und ich selbst lebe ja auch gesund und gebe auf mich Acht – mit Erfolg. Wem sollte ich also dafür dankbar sein?“

Ja, so oder so ähnlich wird heute weithin gedacht. Denn alles kann irgendwie auf berechenbare Ursachen und Gründe zurückgeführt werden – der Unfall, die Krankheit, das Wetter mit seinen Phänomenen und Katastrophen, das Familienglück, der Lottogewinn aufgrund der Wahrscheinlichkeitsgesetze usw. Wenn wir wollen, können wir auf diese Weise alles erklären und dann daraus schließen, dass wir doch gar keinen Gott brauchen und schon gar nicht ihm danken müssten.

Doch gibt es denn tatsächlich für alles eine Erklärung? Jeder wird wohl diese Frage verneinen. Viele füllen die Lücke, indem sie von Zufall oder Schicksal reden. Doch gewonnen haben sie damit gar nichts. Und im Blick auf die Naturwissenschaften ist zu sagen, dass sie zwar Gesetzmäßigkeiten von Ursache und Wirkung aufzeigen und so unser Wissen und unsere Möglichkeiten zur Lebensgestaltung erweitern. Aber sie sind nicht in der Lage, vernünftige Aussagen z.B. über die Liebe zu machen, wie in Menschen die Liebe zu einem bestimmten anderen Menschen aufkeimt und fortan das Leben z.T. sogar so sehr bestimmen kann, dass Außenstehende verständnislos nur noch mit dem Kopf schütteln „ob solcher Unvernunft“.
Die Naturwissenschaften und andere Gesetzmäßigkeiten haben also ihre Grenzen. Sie sagen nichts darüber, worauf ich mich im Leben und im Sterben verlassen kann. Unzählige Menschen bis heute bezeugen, dass es allein Gott ist. Denn sie haben ihn erfahren als einen, der ihnen aus lauter Liebe diesen Halt im Leben und im Sterben gibt, mag kommen, was will. Ihm schenken sie ihr Herz und ihr Leben, indem sie an ihn glauben.

Im Spruch für diesen Monat aus Psalm 139,14 „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele“ kommt ein Gläubiger zu Wort, den man ermorden wollte, weil er nicht in das gängige Schema des Gottesglaubens passte. Er flüchtet in den Tempel und bittet Gott, dass er ihn erforsche, quasi durchleuchte, ob es wirklich so wäre. Bei ihm sucht er Halt in dieser lebensbedrohlichen Lage. Er spricht ihn als seinen Schöpfer an. Wenn nicht er, der Schöpfer der Welt, des Menschen und aller Kreaturen, weiß um ihn und kennt ihn durch und durch. Er preist ihn für die wunderbare Schöpfung seines Lebens: Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Und er preist ihn insgesamt für seine wunderbare Schöpfung: Wunderbar sind deine Werke.

„Wunderbar! Herrlich!“, sagen wir oft für das, was uns staunen lässt: ein herrlicher Sonnenaufgang, die Morgenröte am Himmel und die ersten Sonnenstrahlen, die die Nebelschleier in den Tälern durchbrechen. Erfrischende Kühle vor der Hitze des Tages. Oder wenn sich abends die Natur schlafen legt und wir mit einem Blick in den Sternenhimmel zur Ruhe kommen und den Tag beschließen können. Und dann gibt es so viel Schönes in der Natur zu beobachten und zu bestaunen, und wie doch zudem alles weise geordnet ist. Und wie wunderbar erst ist der Mensch in dieser Schöpfung Gottes! Jedes Mal, wenn ein Kind geboren wird, sind nicht nur die Eltern entzückt über das Wunderwerk Mensch, das in unser Leben eintritt.
Vieles davon können wir naturwissenschaftlich erklären. Erkennen wir jedoch darüber hinaus, dass wir in Gottes wunderbare Schöpfung mit einbezogen sind, nicht nur als staunende Beobachter, sondern als solche, denen diese Schönheit und Herrlichkeit der Schöpfung gilt? Martin Luther bringt das in seiner Auslegung des ersten Glaubensartikels im Kleinen Katechismus auf den Punkt: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was Not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: ….“

Für all dies können und sollen wir Gott dankbar sein – auch mit Worten aus dem Paul-Gerhardt-Lied „Ich singe dir mit Herz und Mund“ (Evang. Gesangbuch Nr 324):

1. Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust; ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst.

2. Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad und ewge Quelle bist, daraus uns allen früh und spat viel Heil und Gutes fließt.

3. Was sind wir doch? Was haben wir auf dieser ganzen Erd, das uns, o Vater, nicht von dir allein gegeben werd?

4. Wer hat das schöne Himmelszelt hoch über uns gesetzt? Wer ist es, der uns unser Feld mit Tau und Regen netzt?

5. Wer wärmet uns in Kält und Frost? Wer schützt uns vor dem Wind? Wer macht es, dass man Öl und Most zu seinen Zeiten find’t?

6. Wer gibt uns Leben und Geblüt? Wer hält mit seiner Hand den güldnen, werten, edlen Fried in unserm Vaterland?

7. Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir, du, du musst alles tun, du hältst die Wach an unsrer Tür und lässt uns sicher ruhn.

8. Du nährest uns von Jahr zu Jahr, bleibst immer fromm und treu und stehst uns, wenn wir in Gefahr geraten, treulich bei.