Viele sagen: "Wer wird uns Gutes sehen lassen?" HERR, lass leuchten über uns das Licht deines Antlitzes! (Monatsspruch)

Der Psalmbeter lebt mit vielen anderen in wohl schwierigen Zeiten. Was es ist, das sie so klagen lässt, wissen wir nicht. Jedenfalls ist es wohl nichts Gutes und erschwert ihr Leben.
Unwillkürlich denke ich an unsere jetzige Situation, hervorgerufen durch die Covid-19-Pandemie. Sie hat das Leben großer Teile der Weltbevölkerung kräftig durcheinander geschüttelt. Ende des Jahres 2020 sind fast 79 Million Menschen am Virus erkrankt. Und etwa 1.750.000 haben die Krankheit nicht überlebt. Unsägliches Leiden der Betroffenen– große Trauer bei den Angehörigen der Verstorbenen. Nicht zu zählen sind die Vielen, die durch die verordneten Einschränkungen in große persönliche und existenzielle Notlagen geraten sind. Oder auch die, die ihren Alltag und den ihrer Familie komplett umstellen müssen und jene, die in Schulen sowie anderen Bildungseinrichtungen und in der Kultur jeden Tag neu improvisieren müssen, immer mit der Angst, von einem Tag auf den anderen schließen zu müssen, selbst angesteckt zu werden oder andere anzustecken.
Ich höre viele Menschen so oder so ähnlich klagen: Das Jahr 2020, es ist ein schlimmes Jahr, das man ganz schnell vergessen sollte.
Ja, es war ein schlimmes Jahr, in dem den meisten von uns viel abverlangt und zugemutet wurde. Und dass wir nun unsere Hoffnung auf einen hochwirksamen Impfstoff setzen, ist nur zu verständlich. Denn die Zahlen der Neuinfizierten, Schwerstkranken und Verstorbenen steigen besorgniserregend weiter. Jeder aber will schließlich wieder ein halbwegs normales Leben führen.

Im Blick auf den Monatsspruch beschäftigen mich dabei jedoch besonders zwei Dinge.
Das Erste: Der Psalmbeter und mit ihm auch die Klagenden wenden sich an Gott – und zwar mit einer Bitte. Es ist letztlich die Bitte um seinen Segen, wie wir ihn vor allem aus unseren Gottesdiensten kennen: „… Der Herr lasse sein Antlitz leuchten über uns und sei uns gnädig…“. Gläubige wissen: An Gottes Segen ist alles gelegen. Sie wissen es, weil sie selbst solche Erfahrungen immer wieder machen. Nicht so, dass Gott ihnen ihre Bitte genau nach ihren Vorstellungen und genau zur rechten Zeit erfüllen wird. Aber doch so, dass sie in Situationen äußerer und innerer Not seine Hilfe erfahren, wie auch immer sie aussieht. Sie wissen, Gott ist zwar nicht unser Wunscherfüller, denn er ist in seinen Möglichkeiten und Willen grenzenlos frei und uns unverfügbar. Aber mit dem Segen sagt er uns selbst seine Hilfe und Begleitung zu. Um diesen Segen können wir als Empfänger nur bitten, ihn aber nicht erzwingen oder gar selbst verwirklichen. Er hilft auf seine Weise.
Also: Nur zu klagen hilft nicht. Im Grunde genommen wissen wir das. Wir sind in vielen Dingen auf die Hilfe anderer angewiesen, gerade wenn es um existenzielle Nöte geht, und bitten sie darum. Christen bitten auch Gott. Denn sie wissen, er allein vermag die Not durchgreifend zu wenden. Er tut das im Übrigen auch durch Menschen – ob diese selbst glauben oder nicht -, so dass ihre Entscheidungen, Erkenntnisse und ihr Tun zum Segen für viele werden können.
Gott um seine segensreiche Hilfe bitten. Das tun Gläubige bis heute. Sie tragen ihre Bitten - auch für andere, die in Not sind, - vor allem in den Gottesdiensten vor. Sie tun das im Wissen, dass Gott zwar weiß, was wir Menschen bedürfen (vgl. Mt 6,8), er aber mit uns persönlich in Kontakt sein will. Er will, dass wir miteinander reden. Er will in unser Herz aufgenommen werden und wir ihn nicht wie eine anonyme Versorgungsmaschine betrachten.
Die Bitte um segensreiche Gaben und Hilfen – bei Gott haben sie die richtige Adresse. Der heutige Mensch allerdings pflegt mit seinen Klagen eher ein Selbstgespräch, reflektiert seine Lage durch, schimpft über alles und jeden, was an seinem Ergehen schuld sein könnte und bäumt sich oft mit Macht dagegen auf. Vom Psalmbeter lernen wir: Bleibe mit deiner Klage nicht bei dir selbst, sondern trage sie Gott vor und bitte ihn um seine Hilfe, seinen Segen. Das ist das Entscheidende. Denn an Gottes Segen ist alles gelegen.
Das Zweite:
Seuchen, Epidemien, Pandemien gab es schon immer. Vor allem aus den Zeiten, da die Pest in Europa wütete, wissen wir, dass die Menschen mehr als sonst die Frage beschäftigte, ob denn Gott sie damit nicht auch auf etwas hinweisen will. Sie fragten Gott und erwarteten seine Antwort. Sie wussten, dass sie eine Antwort bekommen – in welcher Weise sie Gott dann auch immer gab.
Mir fällt in diesem Zusammenhang eine Erzählung aus dem Lk-Evangelium ein: In Siloah war ein Turm eingestürzt und erschlug 18 Menschen. Einige um Jesus versammelte Menschen berichteten ihm davon. Er nahm dies zum Anlass, um sie zur Buße, zur Umkehr von ihren gottabgewandten Wegen zu bewegen. Ohne Buße, so sagte er, werden auch sie umkommen.
Umkehr, Buße tut also not. Davon wussten auch noch die Menschen bis vor nahezu hundert Jahren. Heute lächeln die Menschen darüber, leider. Es wundert mich aber sehr, dass selbst Pfarrer bis hin zu Bischöfen nicht einfach einmal den Gedanken in den Raum stellen: Könnte es nicht auch sein, dass Gott uns mit einem solchen Ergehen einen Hinweis geben will, mit ihm darüber zu reden, ob wir ihm gegenüber noch auf richtigem Wege sind? Eine solche Frage macht uns doch sensibel und regt an, mit Gott darüber zu reden. Doch diesbezügliche Äußerungen hörte ich nicht. Was gesagt wurde ist fast ausschließlich darauf fokussiert, die Forderungen der Politiker und Virologen auf Einhaltung der Verordnungen, die Notwendigkeit der Hilfe für die Notleidenden und der Impfungen zu unterstreichen. Es ist zwar sehr gut, dass dies auch aus dem Munde der Kirchen kommt, um die Pandemie eindämmen zu können. Aber wenn die Frage, ob Gott uns damit nicht doch auch auf etwas hinweisen will, was für unser Heil, für unser Leben in Zeit und Ewigkeit letztlich entscheidend ist, nicht aufgeworfen wird, scheint sie unwichtig zu sein. Warum dann also noch über so was nachdenken oder gar mit Gott darüber reden und auf Antwort von ihm warten, wenn es in der Kirche kaum ein Thema zu sein scheint? Gott aber will, dass wir mit ihm reden, dass wir ihm unsere Klagen, unseren Jammer in den Ohren liegen und unsere Fragen vorlegen, so dass er uns antworten, beistehen und helfen kann – gerade in den Fragen, in denen es um unser Heil und unser Leben in Zeit und Ewigkeit geht. Gott will uns nicht verlieren. Daher wirbt er um uns, so lange wir leben, und eifert um uns. Deshalb will er mit uns im Gespräch sein und bleiben.

Der Psalmbeter schließt mit den Worten: „Du gabst Freude in mein Herz von der Zeit an, da ihr Korn und ihr Wein viel wurde. In Frieden lege ich mich nieder und genauso schlafe ich, denn du allein, HERR, lässt mich in Sicherheit wohnen.“(eigene Übersetzung)
Das Bittgebet erfüllt Gott mit seinem Segen. Der Psalmbeter und die Klagenden erfahren ihn, indem er ihnen Nahrung in Fülle, Frieden und Sicherheit gibt.
Der Dichter des Liedes „Befiehl du deine Wege“ (EG 361), Paul Gerhardt, sagt es uns in der 2. Strophe so:

Dem Herren musst du trauen,
wenn dir’s soll wohlergehn;
auf sein Werk musst du schauen,
wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen
und mit selbsteigner Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen,
es muss erbeten sein.