In diesen Tagen wurde ich unfreiwillig Zuhörer eines Gespräches an der Straßenbahnhaltestelle zwischen einem Mann und einer Frau, die sich offensichtlich kannten. Es ging wie so oft um die Corona-Pandemie und die monatelangen Einschränkungen im Leben der meisten Menschen. Die beiden hatten das satt. Der Mann sagte dann: „Man kann nur froh sein, dass wir bald wieder ein normales Leben führen können wegen der stark zurückgegangenen Zahl an Neuinfektionen.“ Die Frau pflichtete ihm bei und ergänzte: „Ja, dafür kann man nur danken.“ Und der Mann: „Ja, den Ärzten, Wissenschaftlern, Pflegenden und auch Politikern kann man nicht genug dafür danken, dass die das so schnell in den Griff bekommen haben.“ „Ich danke dafür zuerst dem da oben.“ Die Frau meinte Gott und fuhr fort: „Denn ohne ihn hätten die das nicht leisten können. Davon bin ich überzeugt.“ Damit konnte der Mann offenbar nichts anfangen und fragte zurück: „Glaubst du denn wirklich, dass der Gott, an den du glaubst, sich in unser Leben einmischt und die Strippen so ziehen kann und will? Wenn das so sein sollte, warum hat er denn dieses Virus überhaupt entstehen lassen, durch das Millionen von Menschen so krank geworden und sehr viele daran gestorben sind?“ Längeres Schweigen. Dann die Frau: „Ich kann dir das nicht erklären. Aber eines weiß und glaube ich: Gott hat uns nie versprochen, dass wir Menschen in dieser Welt kein Leid und keine Krankheit mehr erfahren werden. Aber er hat uns seine Nähe versprochen, egal was uns geschieht. Denn er liebt uns und will unser Bestes. Und deshalb sind Krankheit und Leid nie sinnlos, auch wenn man das erst einmal so empfindet. Den Sinn erkennt man meist erst viel später. Jedenfalls habe ich das so wie viele andere auch, die ich kenne, mehrfach erlebt. Ich habe das Leben neu schätzen gelernt als ein kostbares Geschenk und bin Gott dankbar für seine Hilfe in meinen Nöten. Dass sie durch das Wissen und Können von Menschen erfolgte, steht dem doch nicht entgegen. Helfende Menschen sehe ich wie Werkzeuge Gottes, auch wenn sie selbst nicht an ihn glauben.“ Wieder längeres Schweigen. Zwischenzeitlich kam die Straßenbahn. Ob die beiden das Gespräch fortgeführt haben, habe ich dann nicht mehr mitbekommen.

Selten kommt es zu solchen Gesprächen zwischen eher zufällig zusammentreffenden Menschen. Deshalb erinnerte ich mich auch sofort daran, als ich den Monatsspruch für Juli las. Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir. (Apg 17,27f.)


Diese zwei kurzen Sätze gehören zu der sehr bekannten Rede des Apostels Paulus auf dem Areopag in Athen vor Juden und Philosophen. Im Kern geht es darin um Gott, den die Athener zwar nicht kennen, aber ihn, den unbekannten, mit der Errichtung eines Altar verehren. Kein Gott soll übersehen werden, auch wenn sie von ihm so gut wie nichts wissen.
Den Unwissenden sagt Paulus nun: Dieser Gott ist nicht nur ein Gedankengebilde, sondern er ist einem jeden Menschen dieser Welt nahe, aber nicht, weil er uns interessant findet. Sondern, so sagt es Paulus kurz vorher, er ist der Schöpfer allen menschlichen Lebens und der Erhalter der Welt. Er gibt allen das Leben. Mehr noch: Der allen Menschen gegenwärtige Gott gibt ihnen ein letztes heilvolles Ziel. So können wir die beiden Sätze des Monatsspruchs wiedergeben.

Der allen Menschen gegenwärtige Gott gibt ihnen ein letztes heilvolles Ziel. Christen stimmen darin Paulus zu. Sie erfahren Gott ja selbst immer wieder in ihrem Dasein so, wie z.B. die Frau, über die ich eingangs erzählte. Sie erkennen, dass er nur ihr Bestes will. Sie sehen, wie Gott das Leben befruchtet und erneuert, wie er auch in ihrem Leben heilvoll am Werke ist. Heilvoll, weil durch die Auferstehung Christi, so Paulus drei Verse nach dem Monatsspruch, selbst der Tod nicht mehr das Ende menschlicher Existenz ist. Seither stehen die Tore zur Vollendung unseres Lebens in Gottes Ewigkeit für alle Menschen weit auf. Im Glauben an Gott werden sie von ihm zugleich in dieser Gewissheit bestärkt - gegen den Anschein dieser Welt, dass Leid, Krankheit, Not, Schuld und Tod das letzte und endgültige Wort in unserer Welt haben.
Freilich sehnen sich schon immer die Menschen, auch die, die nicht an Gott glauben, dass das Leben einen Sinn hat, dass sich in ihm vollendet, was im irdischen Leben offen bleibt oder durch den Tod abgebrochen wird, dass es eine letzte Geborgenheit gibt. Viele von ihnen sind auf der Suche danach und probieren wie in einem Markt der Möglichkeiten aus, wo sie Glück und Erfüllung finden können. Das war eben auch zu Paulus´ Zeiten so. Doch wenn manche auch meinen, dann ihren Sehnsuchtsort und Sehnsuchtsziel gefunden zu haben, so bleibt das weit zurück im Vergleich zu dem, was Gott den Gläubigen schenkt und auf das sie hoffen dürfen: heilvolle Vollendung ihres irdischen Lebens in ewiger Geborgenheit bei Gott, dem Schöpfer allen Lebens.

Paulus nutzte das Zusammentreffen mit Juden, seinen Landsleuten, und Philosophen auf dem Areopag, ihnen von diesem Gott zu erzählen. Niemand soll unwissend bleiben über diesen Gott, der doch für alle Menschen dieses heilvolle Ziel bereithält.
Wir können und sollen es ihm gleich tun. Denn die beste Möglichkeit, dass auch die Menschen heute von diesem einzigartigen Gott erfahren können, ist, ihnen von ihm zu erzählen, über unsere Erfahrungen mit ihm und unseren Glauben, der oftmals eben auch nicht gerade stark ist. Die Frau, über die ich am Anfang erzählte, tat das auch - mit einfachen und schlichten Worten. Auf diese Weise können auch andere von unserem Gott erfahren, von dem wir alle herkommen und der uns trägt in guten wie in schlechten Tagen. Der Wunden heilt und Tränen trocknet, der unserem Herz Ruhe finden lässt in der Gewissheit, dass nichts und niemand uns von ihm trennen kann, auch nicht der Tod. Und wer weiß, vielleicht wollen es manche dann doch mit ihm wagen. Wollen ihm vertrauen und ihre Hoffnung und Sehnsucht nach einem tragenden Grund ihres Lebens, nach Glück, Frieden, Freiheit und Geborgenheit an ihm festmachen, weil sie erkennen: Er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.