In diesen Wochen ist vieles nicht mehr so wie noch vor gut einem halben Jahr. Die Menschen haben Angst vor der Zukunft. Nicht nur, weil die seit 2 Jahren grassierende Corona-Pandemie das Leben vieler durcheinander gebracht hat und so manches nun schwieriger, auch leidvoller geworden ist. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges in unserem Land machen große Angst. Immer mehr Menschen rutschen wegen der stark steigenden Inflation in die Armut. Energiekosten wachsen um das Vielfache, so dass nicht nur kleineren Betrieben, sondern auch mittelständigen und Großbetrieben die Insolvenz droht. Die Menschen sorgen sich um die Beheizbarkeit ihrer Wohnungen; im öffentlichen Leben kommt es überall dort, wo Energie benötigt wird, zu Einschränkungen. Und es gibt da ja auch noch die Klimakrise. Der hiesige Sommer hat gezeigt, was auf uns zukommen wird, wenn nicht unverzüglich alle Anstrengungen zum Gegensteuern unternommen werden. Die Menschen haben Angst, denn sie wissen nicht, wohin das alles noch führen wird. Sie sehen kaum einen SiIberstreif am Horizont. „Die Welt taumelt in den Abgrund“, hörte ich neulich einige sagen. Es sind beileibe nicht die einzigen, die das so empfinden. Was wird aus uns Menschen? Hat das Leben noch Sinn? So wird in diesen Tagen zunehmend gefragt. Und es wird demonstriert, denn die Menschen wollen Antworten und wollen Lösungen. Gibt es welche, und wer hat sie?
Ich selbst habe keine Lösungen parat. Zu kompliziert und verworren hängt alles miteinander zusammen. Zu gering sind die Bemühungen der Mächtigen dieser Welt, um gemeinsam die Krisen in den Griff zu bekommen. Zu undurchsichtig ist die gesamte Lage in der Weltpolitik, weil die wahren Interessen oft verschleiert und deswegen die Menschheit auch getäuscht wird. Und das merken viele. „Ist das nicht irgendwie teuflisch, was wir gerade erleben?“, fuhr es aus einer Frau in einer Diskussionsrunde heraus.

Ich habe keine Lösungen, aber es gibt Antworten. Sie weiten den Blick über das Vorfindliche hinaus, trösten, befreien von lähmender Zukunftsangst und ermöglichen ein angemessenes Handeln. Diese Antworten finden wir in der Bibel, so auch in der Offenbarung des Johannes, aus der unser Monatsspruch entnommen wurde: Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker (Offb 15,3). In den Ohren so mancher Menschen klingt das wie Hohn und als nehme man ihre Probleme und Ängste und alles, was ihnen in der Welt zu schaffen macht, gar nicht ernst. Sie sagen: Was ist das für ein Gott, der so was zulässt? Warum schreitet er nicht ein und hilft heraus aus unserer Not? Was soll ich mit so einem Gott, der sich nicht für mich interessiert, wenn es ihn überhaupt gibt.
Vielen Christen spricht dieser Satz des Johannes jedoch aus dem Herzen. Sie wissen im Glauben, dass es eine Wirklichkeit gibt, die unsere gegenwärtige Wirklichkeit übersteigt. Wir nennen sie „Himmel“ und meinen damit den Bereich Gottes, den Bereich ewigen Lebens, den Bereich, wo wir auch unsere Verstorbenen geborgen wissen.

Der christliche Visionär Johannes lebte etwa 90 bis 95 n. Christus zurückgezogen auf der Insel Patmos, um sich zu sammeln und eine Schrift für die damaligen Christen in Kleinasien zu verfassen. Sie lehnten den Staatskult um den Kaiser Domitian ab. Denn der Kaiser forderte göttliche Verehrung. Dagegen lehnten sich viele auf. Sie verehrten nur einen als Gott – den Gott Israels, den Pantokrator, den Allherrscher, mit seinem Sohn Jesus Christus, der durch seine Kreuzigung und Auferstehung sogar den Tod besiegte. Deswegen wurden diese Christen verfolgt. Ihnen wurde Leid zugefügt, der Tod angedroht, manche wurden hingerichtet. Sie lebten in äußerster Bedrängnis und Todesgefahr, wenn sie den Kaiserkult verweigerten.
Johannes sieht nun in einer göttlichen Vision, wie Christen, die an ihrem Glauben festgehalten hatten und deswegen umgebracht worden oder verstorben waren, jenseits unserer Weltwirklichkeit einen Hymnus singen über Gott. Es sind die, die es geschafft hatten, all den Leiden, Nöten und Ängsten dieser Welt nicht zu erliegen, sondern hindurchzukommen. Und nun – im „Himmel“ – singen sie dieses Loblied, dessen erster Satz unser Monatsspruch ist: Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker. (Treffender die Übersetzung der Lutherbibel: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.)

Das Lied, das die Überwinder im Himmel singen, ist das Lied des Mose und des Lammes Gottes, so lesen wir einen Satz davor. Das Lied, das Mose sang, war ein Loblied auf Gott, der die Israeliten durch das Schilfmeer führte und sie vor den verfolgenden Ägyptern errettete. Und unter dem Lied des Lammes ist das Lied der Überwinder zu verstehen, das sie singen, weil Jesus, das Lamm Gottes, sie vor Tod und Verderben rettete und ihnen half zu überwinden. In beiden Fällen Rettung derjenigen, die Gott treu geblieben sind - trotz Bedrängnis und Verfolgung.

Johannes schrieb das nieder, weil er den Menschen damals in ihren Nöten und in ihrer Angst einen Blick in die ewige Wirklichkeit Gottes, in die ewige Freude jenseits unserer vom Bösen durchzogenen Welt werfen lassen wollte, einen Blick in eine Wirklichkeit, die Gott für die Überwinder bereithält. Auch uns heute will er damit sagen: „Schaut, das ist die eigentliche Wirklichkeit. Das, was euch in eurem Leben so oft den Mut nehmen will, ist nur ein vordergründiges Geschehen. So ist Gott!“

Der Hymnus – ein Loblied am rettenden Ufer, im Himmel. Solche Lieder werden gesungen seit den Tagen des Mose. Und sie werden bis zum jüngsten Tag gesungen – auch in unseren Tagen: wo gefürchtete Diagnosen ausbleiben und Trauergeister endlich weichen, wo schwierige Situationen, Ängste und Nöte hinter uns liegen, wo wir aus Einsamkeiten erlöst werden, wo Menschen dem Kriegsgemetzel und Hungertod entkommen, wo immer also Menschen unvermittelt erfahren: Ich bin Gott sei Dank hindurch.

Das Lied aus dem Himmel, aus einer anderen Welt, bringt uns eine Botschaft, die wir uns nicht selbst sagen können. Während hier oft und gerade auch in diesen schwierigen Zeiten Ängste die Kehle zuschnüren, wird dort ein Siegeslied gesungen. Die Gemeinschaft der Glaubenden, zu denen die Lebenden und die Toten gehören, kennt diese Gleichzeitigkeit des jubelnden Lobes und des seufzenden Klagens. Denn sie kennt den, der den Sieg schon errungen hat und den Überwindern half zu überwinden: Christus, der Lebende, der Auferstandene, das Siegeslamm. Wie gut, dass im Himmel dieses Lied für uns auf der Erde schon gesungen wird. Es ist der Hymnus, der mit den Worten beginnt: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.
Das Lied aus dem Himmel mit dieser Siegesbotschaft tröstet, die unter Ängsten, Not und Bösem leiden. Es hilft bei der Befreiung aus Lethargie und lähmender Erstarrung, so dass wir handeln können, soweit es uns möglich ist, um das Leidvolle und all das, was uns plagt und ängstigt, zu mildern oder gar abzuwenden versuchen. Der Blick in den Himmel, das Lied der Überwinder von dort, in das wir hier in unserer Welt einstimmen, verpflichtet uns Christen in besonderer Weise dazu.