„Unsere Welt ist aus den Fugen geraten!“, sagen in dieser Zeit unzählige Menschen angesichts so vieler, das Leben erschütternder Ereignisse: Kriege und wachsende Gefahr eines Welt- und Atomkrieges, Terror, Umweltkatastrophen und sich anbahnende Katastrophen durch Klimaveränderungen, die wir selbst verschulden.
Es ist wohl wahr, unsere Welt ist aus den Fugen – in vielerlei Hinsicht. Verständlich, dass viele Menschen nur eine geringe Hoffnung haben auf ein Leben, das wirklich sinnerfüllt und lebenswert ist. Ein Teil von ihnen wehrt sich gegen solche Gedanken, will die Hoffnung auf einen anderen Umgang mit der Natur und auch unter uns Menschen nicht aufgeben und setzt sich für Veränderungen unseres Verhaltens ein – weltweit. Meist mit friedlichen Mitteln, einige mit gewaltsamen Aktionen, z.B. die „Letzte Generation“, die die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik dazu zu zwingen will. Es führte hier zu weit zu begründen, warum ich gewaltsame Aktionen ablehne. Dass es aber unbedingt erforderlich ist, sich für Gerechtigkeit für alle, für Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen und dass man sich dafür auch in seinen eigenen Lebensvollzügen einschränken soll, das halte ich schon für unbedingt notwendig. Das sagt einem nicht nur der Verstand. Sondern das ist auch Gottes Wille, um – sogar global gesehen - ein Leben in Würde und Achtung voreinander und in Verantwortung füreinander führen zu können.

Leider aber sieht die Realität anders aus. Daher nochmals die Frage unserer Zeit: „Gibt es denn noch Hoffnung für uns?“


Der Apostel Paulus beschäftigt sich im Römerbrief, Kapitel 8, Verse 18-39 besonders damit. Er weiß auch von Hoffnungslosigkeiten. Denn er kennt vieles, was die Hoffnung zunichtemachen kann. Es sind – so benennt er es zunächst pauschal – die Leiden dieser Zeit, blickt dabei besonders auf die Schöpfung und sodann auf all die Verhältnisse in der Welt, die knechten und unfrei machen. Das ficht den Glauben und die Hoffnung der Christen an. Nun ruft er allerdings nicht dazu auf, uns mit all uns zur Verfügung stehender Macht, also auch gewaltsam, von knechtenden und unfrei machenden Verhältnissen zu befreien. Sondern er verweist auf Gott, auf seine Liebe zu uns. Sie macht die Hoffnung nicht zunichte. Denn sie befähigt sogar zu einem Handeln nach Gottes Willen. Doch das ist hier zunächst nicht das Thema des Paulus. Es geht ihm um die Macht dieser Liebe, die sich allerdings nicht nur auf eine erhoffte Verbesserung der Lebenswirklichkeiten beschränkt, sondern auch von allem befreit, was den Menschen im gegenwärtigen Leben knechtet und ihm jede Hoffnung und jeden Sinn fürs Leben raubt.
Die Macht göttlicher Liebe, so Paulus, ist stärker als alle Gefahren, Bedrohungen und Knechtschaften, denen wir ausgesetzt sind. Wörtlich (und das ist der Spruch für diesen Monat in Röm 8,35): Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? (In der Einheitsübersetzung, aus der der Spruch zitiert wird, lautet er entgegen dem Urtext: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?) Dann nennt Paulus Beispiele: Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefahr, Waffengewalt. Und er greift noch weiter. Selbst die Mächte und sonstige gegenwärtige und zukünftige Gewalten im gesamten Kosmos haben nicht die Macht, uns von der Liebe Gottes zu scheiden.
Solche Mächte erfahren die Menschen als einen Zwang hin zum Bösen, dem sie sich nicht entziehen können; auch als Mächte der Verführung zu etwas, was ihnen selbst und anderen nicht gut tut. Sie erfahren sie auch unter einer Maske des Guten und des Gottgefälligen, unter der sich jedoch das Böse und Gottwidrige tarnt und oftmals erst entdeckt wird, wenn es zu spät ist.
Aber nicht nur der einzelne Mensch ist ihnen ausgesetzt. Sondern solche Mächte wirken auch kollektiv, indem Menschen solche Strukturen schaffen, in denen sich das Böse, das Lebensfeindliche und Gottwidrige manifestiert, und dies sogar in globalem Ausmaß. Das Ziel ist immer, Menschen von Gott, der Leben schafft und Leben erhält, zu trennen, damit sie in den Abgrund des Lebens stürzen, das in Sinnlosigkeit und im ewigen Tod endet. Alle diese Mächte ziehen letztlich ihre Kraft aus der Macht der Sünde.

Vielleicht gehen manchem die Vorstellungen von solchen Mächten zu weit. Da heißt es dann oft: Man sieht sie ja schließlich nicht. Sie lassen sich naturwissenschaftlich auch nicht nachweisen. Und was man nicht sieht oder nicht nachgewiesen werden kann, das gibt es auch nicht. Alles nur Einbildung, alles nur Mythologie. Eine solche Meinung durchzieht in heutiger Zeit, die von Erkenntnisprozessen in den Naturwissenschaften geprägt ist, alles Denken. Wie irrig das ist, zeigt sich an der Liebe. Auch sie sieht man nicht. Aber sie trägt Früchte. Und an denen lässt sie sich erkennen wie die Früchte an den jeweiligen Bäumen (vgl. Lk 6,43f). So auch hier. Auch wenn solche machtvollen Kräfte ebenso wie die Sünde unserer erforschbaren Welt verborgen sind, so trägt auch ihr Wirken Früchte. Und die stehen der Liebe Gottes und seiner Verheißung entgegen und führen Menschen von ihm weg. Für Menschen, die sich von Gott geliebt wissen, bleiben sie jedoch nicht unsichtbar, sondern in der Liebe Gottes werden sie erkannt, was sie wirklich sind und wie gefährlich sie sind für unser Leben im Hier und Jetzt und in Bezug auf unser Heil.

Wie dunkel und hoffnungslos unsere persönliche Zukunft und die unserer Welt auch erscheinen mag: Gottes Liebe, die sich in der Auferweckung seines Sohnes Jesus Christus zeigt, ist von niemandem und nichts zu überwinden. Denn der Gekreuzigte und Auferstandene ist als Sohn Gottes die Wirklichkeit der Liebe Gottes. Daher gibt es keine größere und stärkere Macht als diese Macht der Liebe. Mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten hat nun ein unaufhaltsamer Prozess eingesetzt, an dem wir als die Glaubenden und Kinder Gottes bereits jetzt teilhaben und der zu einer völligen Umwandlung von allem führen wird, sowohl im Himmel als auch auf der Erde, sowohl in der sichtbaren als auch in der unsichtbaren Welt. Dann werden auch die Sünde und alle Mächte, die ihre Kraft aus ihr beziehen und uns beherrschen wollen, nicht mehr sein. In dieser Liebe Gottes kann uns nun nichts auf dem Weg zum Ziel trennen, was auch immer an bösen und leidvollen Erfahrungen wir machen und was auch immer uns noch erwarten mag.
Dag Hammerskjöld, der 1961 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene ehemalige UNO-Generalsekretär, schrieb einmal in sein Tagebuch: „Sorge nicht, wohin dich der einzelne Schritt führt: nur wer weit blickt, findet sich zurecht.“ Der weite Blick zurück an das Kreuz Jesu Christi und seine Auferstehung und der weite Blick nach vorn auf das von Gott uns Menschen zugedachte, verheißene Leben lassen uns Wege finden, auf dem wir nicht ins Dunkle abstürzen. Gottes Liebe hält und trägt uns dabei in allen Gefahren des Lebens. Sie führt uns selbst durch den Tod hindurch in seine liebenden Arme. Aus solcher Hoffnung leben wir trotz aller Leiden dieser Welt. Denn wer will uns scheiden von der Liebe Christi? – Niemand!