Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende. (Röm 14,9)

Das Wort „Herr“ wird nicht mehr oft verwendet, außer in persönlichen Anreden. Mit ihm wird oft das Herrschen, die Herrschaft assoziiert. Und wer will sich schon beherrschen lassen? Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung, das wird betont. Flache Hierarchien in Betrieben werden angestrebt, um rücksichtslos agierende Herrschaftsformen zu vermeiden. Und doch gibt es sie, die Herren dieser Welt – überall, im Kleinen wie im Großen. Sie wollen immer recht behalten und versuchen, es auf irgendeine Weise durchzusetzen. Dann spielen sie sich auf und versuchen, andere nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen, manchmal raffiniert und rücksichtslos, manchmal richtig brutal. Wir alle kennen das. Manche leiden unter solchen „Herrschaften“. Der Ruf nach Freiheit von ihnen ist nur zu verständlich.

Doch gibt es wirklich eine solche Freiheit, ohne fremdbestimmt zu werden? Martin Luther hatte stets darauf hingewiesen, dass der Mensch immer Machtbereichen ausgesetzt ist, über die er selbst keine Macht hat. Von ihm stammt das Bild vom Menschen als Reit- oder Lasttier: Der Mensch ist geritten, besessen, entweder von Gott oder vom Satan. Von sich aus kann er sich nicht frei den Reitern zuwenden. Sie selbst kämpfen um ihn und nehmen ihn in Besitz. Das ist auch dann so, wenn er sich selbst als frei und selbstbestimmt meint. Dass wir geritten werden, merken wir gelegentlich, wenn wir fragen: „Wer oder was hat dich denn da geritten?“ Auch wenn wir selbst wie besessen auf einer Meinung beharren, merken wir manchmal, wie wir beherrscht werden von ihr, von einer Idee, einer Ideologie, vom Zeitgeist. Wir werden beherrscht und in die Irre geleitet: Leben geht kaputt. Liebe zerbricht, Drogen gewinnen Macht, Hass zerstört Gemeinschaften, manchmal sogar das Leben anderer. Wir verrennen uns, laufen in die Irre und meinen, es wäre die Freiheit und Selbstverwirklichung.

Wer aber herrscht über Tote? Diese Frage stellt wohl kaum jemand. „Mit dem Tod ist doch alles aus, oder etwa nicht?“, so wird gesagt. Herrschaft über Tote, das ist für die meisten abwegig - ein Gedanke, bei dem es sich nicht lohnt, weiter zu verweilen. Jeder, der an weltlichen Trauerfeiern teilnimmt, wird nichts darüber hören, dass es einen Herrn über Tote gibt. Christen aber wissen von einem, der das ist: Christus. Seine Herrschaft erstreckt sich nicht nur über Lebende, sondern auch über Tote. Jesus Christus, der am Kreuz den Tod erlitten hatte, hat ihn überwunden, indem Gott ihn, seinen Sohn, auferweckt hat. Die Macht des Todes ist nun gebrochen. Christus lebt und ist uns gegenwärtig.
Dass er starb, das können wir uns noch vorstellen. Dass er auferweckt wurde und lebt, das allerdings nicht. Es ist eben kein diesseitiges Geschehen, sondern übersteigt alles Weltliche und Irdische, überschreitet Raum und Zeit. Es ist ein Wunder, das unser Verstand nicht fassen kann.

Das Neue Testament berichtet von Frauen und Männern, denen der auferstandene Christus erschienen ist. Sie haben das Unfassbare weitererzählt. Denn dieses Geschehen, dieses Wunder, gab ihrem Leben eine Zukunft. Ihnen wurde bewusst: Der Alltag mit all seinen Sorgen und Lasten, mit allem Kummer, Leid und Not, und schließlich der Tod am Ende des Lebens, das alles ist nicht das Letzte und Endgültige. Gott schenkt in und mit ihm Leben über den Tod hinaus allen, die zu diesem nunmehr auferstandenen Jesus Christus gehören. Die Auferweckung Christi bringt Hoffnung in eine Welt und ins eigene Leben, wo es durch die Mächte der Finsternis und des Todes ansonsten keine mehr gibt. Das Leben bekommt wieder Sinn und Neuanfänge sind möglich. Und genau dies wollten sie mit ihren Berichten über die Begegnungen mit dem Auferstandenen den vielen anderen weitergeben. Fortan wurde Jesus nicht mehr mit „Meister“ angesprochen, sondern mit „Herr“, griechisch „kyrois“, wie vielfach auch Gott angeredet wurde. Wer solche Macht hat, ist wahrlich ein Herr über alle Mächte. Zu ihm zu gehören, befreit von diesen Mächten.

Seit nahezu 2000 Jahren wird dieses Zeugnis, diese Botschaft weitergegeben in die Welt hinein. Menschen kommen so zum Glauben an Gott, der seinen Sohn auferweckt hat. Dabei erfahren sie, wie sich ihr Leben ändert. Denn es bekommt eine neue Perspektive wie bei denen, die Jesus im Grab nicht fanden, sondern dort von seiner Auferstehung erfuhren, und bei denen, denen er später erschien. So wissen auch wir heute: An den Gräbern dürfen wir uns nicht so aufhalten, als sei der Tod endgültig. Die Gräber unserer Verstorbenen sind keine Orte, an denen wir alle Hoffnung auf eine heilvolle Zukunft auch nach dem Tod begraben müssten. Aus dem Grund sind die Gräber unserer Verstorbenen auch keine Orte, an denen wir resignieren müssen, wenn dunkle Wolken des Todes, des Schmerzes und der Trauer uns umhüllen und sonstige Ängste und finstere Mächte unser Leben einschnüren und vergiften wollen. Viele von uns haben durch den Glauben an Gott, an Jesus Christus, seinen Sohn, die Erfahrung gemacht, dass nichts so bleiben muss, wie es uns diese Mächte plausibel machen und uns damit auch die Kraft zum Leben nehmen wollen. Gottes Geist gibt uns im Vertrauen zu Gott zu erkennen, dass er weiterhin schöpferisch tätig ist, auch in unserem Leben. Er hat uns nicht nur geschaffen. Er will, dass der Tod uns nicht beiseite schafft, quasi irgendwohin entsorgt. Sondern er hat mit uns, seinen Geschöpfen, noch etwas vor: Er will uns mit einem Leben umkleiden, das auf ewig ungetrübt und unzerstörbar in seinen Händen geborgen ist.

Das sind doch wunderbare Zukunftsaussichten! Sie machen Hoffnung auch in diesem Leben. Mit dem Tod ist eben nicht alles aus. Solche Hoffnung hilft, die Ausweglosigkeiten und Engen in unserem täglichen Leben zu überwinden. Gott will, dass niemand ohne diese Hoffnung leben oder gar sterben muss. Er hält für jeden eine solche Zukunftsperspektive offen.

Solche Hoffnung vermag sonst niemand zu geben als allein der vom Tod auferweckte Christus. Er will alle Menschen in seinen Machtbereich einbeziehen. Wer ihm vertraut, also an ihn glaubt, der darf gewiss sein, dass er auch ihn aus der Umklammerung der finsteren Mächte und des Todes befreit und ihm bereits in der Gegenwart wahres Leben gewährt.

Christus, der am Kreuz Gestorbene, wurde auferweckt. Er ist lebendig. Die Macht des Todes hat er gebrochen. Dies tat er zu unserem Heil. Darum feiern wir Ostern. Nicht weil´s nun Frühling wird. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei (nach Lutherbibel 2017).