In einer größeren Diskussionsrunde wurden Erfahrungen über die Ehrenamtlichenarbeit ausgetauscht. Beklagt wurde von vielen das abnehmende Engagement, sich ehrenamtlich für das Gemeinwohl einzubringen. Beispiele dazu wurden genannt, auch aus Kirchgemeinden. Andere wollten das nicht einfach so stehen lassen und verwiesen auf ihre entgegengesetzten Erfahrungen. Eine Frau ergriff das Wort und sagte: „Ihr in der Kirche redet von Nächstenliebe. Aber da hapert´s doch sehr damit. Wenn man genauer hinsieht, sind wir, die wir nicht in der Kirche sind, viel aktiver als ihr. Im Grunde genommen sind doch wir die besseren Christen, auch wenn wir nicht zur Kirche gehören.“ Betretenes Schweigen bei einigen, lautstarke Erwiderungen und Proteste bei vielen anderen.

Die Ansicht dieser Frau, dass zuweilen Nichtchristen die besseren Christen seien, stimmt natürlich nicht. Ein Christ ist der, der an Gott und seinen Sohn Jesus Christus glaubt, ihm also vertraut und auf seinen Namen getauft ist. Aber sie hat ihren Finger in eine Wunde gelegt, die es schon immer bei Christen gab und in die auch der Verfasser des Jakobusbriefes seinen Finger legte und daher mahnte: Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst (Jak 1,22 – der Spruch für diesen Monat).
Diese Mahnung verursacht bei manchen Bauchgrummeln. Schon wieder Gängelei, Druck, Gesetz! heißt es dann. Wenn Christen so empfinden (und das sind nicht wenige), dann liegt der Grund oft darin, dass sie sich durch solche Bibeltexte nicht vereinnahmen lassen wollen. Ich kann mich als Predigthörer an viele Predigten erinnern, die solche Predigthörer völlig unzureichend im Blick hatten. Die Predigten wirkten meist gesetzlich oder oberflächlich und belanglos. Doch was kann helfen, besser, wie sollen wir dann darüber reden?

Martin Luther hat in seiner Predigt über Jak 1,4-18 (zum Sonntag Kantate, 14.05.1536) seinen Hörern mit seinen Ausführungen vorgeführt, was er auch andernorts betonte. Zuerst sind bei solch mahnenden Texten die Predigthörer durchaus auch mit kräftigen biblischen Bildern daran zu erinnern, wer sie eigentlich sind: Sie sind zu Gottes Kindern geworden. Gott hat sie in seiner Liebe und Güte durch die Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus, die sie angenommen haben, mit einem neuen Leben beschenkt, das köstlicher und wertvoller ist als alles andere in der Welt. Sie gehören ganz zu Gott. Niemand kann sie ihm entreißen. Wörtlich folgert er in der Predigt: „Das alles sollt ihr wohl ansehen und bedenken, was euch für ein großes Gut und Ehre und Herrlichkeit bereit von Gott gegeben ist, dass ihr zu Erben gemacht seid des zukünftigen Lebens, bei dem keine Unvollkommenheit und Veränderung sein soll.“ Das in dieser Weise gepredigte Evangelium setzt dabei aus sich heraus einen Impuls zum dankbaren Tun des Willens Gottes frei; es animiert zum freudigen Handeln und wirkt einer Gleichgültigkeit oder auch Verdrängung und Abwehr entgegen, wenn Gottes Willen zudem mit Sanftmut an die Hörer herangetragen wird. In der neueren Predigtlehre hat dieser methodische Ansatz wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren.

Diesen Faden will ich aufgreifen und den Text des Monatsspruchs mit seinem Kontext wie folgt kurz umschreiben: Ich, Jakob, merke, dass eure christliche Lebenseinstellung leider nachlässt, wo ihr doch gestandene Christen seid. Das macht mir Sorge. Deshalb will ich euch zunächst an eure Wurzeln erinnern. Ihr seid von Gott in ein neues Leben hineingenommen - durch die Heilsbotschaft des Evangeliums, die ihr angenommen habt. Solch neues Leben gibt es nur bei ihm. Ein beglückendes Gefühl war es doch auch für euch, eine neue Existenz zu haben, ein Kind des Gottes zu sein, der Leben schafft und Leben erhält über den Tod hinaus und uns auch Hilfe im täglichen Leben ist. Doch da vieles in unserem Leben uns bedrängt, uns wieder unglücklich werden lässt, ist es wichtig, dieses Wort der Wahrheit immer wieder zustimmend zu hören, um uns dieser neuen Existenz zu vergewissern. Denn es entfaltet dann in uns eine Kraft, die uns hilft, dies alles auch durchzustehen. Gott will euch nicht verlieren. Bedenkt zudem aber auch, bei solchem Hören soll es nicht bleiben. Denn wenn ihr euch nicht dazu bewegen lasst, das auch zu tun, was Gottes Wort euch sagt, so lauft ihr Gefahr, euer christliches Lebensprofil in dieser Welt zu verlieren. Eure Lebensweise, die doch von den göttlichen Weisungen, vor allem von der Nächstenliebe geprägt sein soll, unterscheidet sich dann nicht mehr von der in der Welt, die von Gott nichts wissen will. Auch das stelle ich bei euch fest und frage mich, wie Christen, die doch wie ihr ganz zu Gott gehören und eine neue Existenz haben, es eigentlich unterlassen, ihren Mitmenschen Gutes zu tun, je nach ihren Möglichkeiten. Die Impulse dazu liegen ja bereits in der frohen Botschaft selbst, die ihr hört. Wer nur hört, vergisst diesen Impuls, obwohl er weiß, dass er doch Gutes im Sinne der Nächstenliebe tun soll. Ein solcher Christ ist nicht nur unvollkommen in seiner Beziehung zu Gott und arm an Weisheit in seinem Lebenswandel. Sondern er betrügt sich selbst. Denn im Gericht Gottes wird es eine Rolle spielen, ob und wie er diesem Anspruch Gottes zur Tat nachgekommen ist (2,12). Kurzum: Wer nicht auch Täter des Wortes ist, macht sich schuldig. Das aber wollt ihr doch nicht, und Gott sowieso nicht.

Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. Paulus und Jesus könnten dies so ähnlich auch gesagt haben (vgl. Röm 2,13; Mt 5,19; 7,24-27). Auch bei ihnen es geht darum, wie man als Christ, als ein von Gott erneuerter Mensch, sein Leben gestaltet.

Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. Beispiele, wo und wie wir unseren Mitmenschen nach dem Willen Gottes helfen können, brauche ich kaum anzugeben. Überall, wo wir Menschen mit unserer Zuwendung, mit unserem Gebet, mit unserer Zeit, mit unserer Kraft, mit unserem Geld, helfen können, sind wir gefordert - jeder einzelne von uns und auch zusammen mit anderen. Und dies in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens, besonders jedoch in der Kirche, in unseren Gemeinden. Das wird uns freilich nie in vollkommener Weise gelingen. Doch sollen wir nach Jakobus immer wieder danach streben (1,4). Daher: Es zu tun in dem Maße, wie es uns möglich ist, darauf kommt es an. Nicht denken, mein Handeln spielt doch sowieso keine Rolle; auch nicht resignieren, nicht den Kopf in den Sand stecken und die Dinge laufen lassen, selbst dann nicht, wenn manches nicht gelingt. Wichtig ist, dass wir uns durch das Hören immer wieder zum Tun bewegen lassen. Zudem danken wir Gott auch auf diese Weise für seine unermessliche Tat an uns – zu seinen Kindern gehören zu dürfen.

Uns Pfarrerinnen und Pfarrer danken nach den Gottesdiensten hin und wieder Besucher für den Gottesdienst, für die Predigt. Ich denke mir dann: Schön, dass etwas angekommen ist bei ihnen und sie anders weggehen, als sie gekommen sind. Doch zugleich taucht auch ein anderer Gedanke auf: Was wird wohl nun bei ihnen daraus folgen im Verhalten zu ihren Mitmenschen, zur Mitarbeit in unseren Gemeinden? Wird sich´s bessern? Positive Erfahrungen halten sich doch sehr in Grenzen. Doch das sollte nicht dazu führen, die Hoffnung diesbezüglich aufzugeben. Denn hin und wieder zeigen sich Pflänzchen, dass da der eine oder andere sich doch zum Tun hat bewegen lassen. Gott sei Dank!