Der Spruch für diesen Monat ist dem Buch Hiob entnommen (Hi 9,8+9) und lautet: Er (Gott) allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.

Der Blick in den nächtlichen Himmel – immer wieder fasziniert uns das Sternenzelt mit der Milchstraße, anderen Galaxien und den Milliarden von Sternen über uns. Die unendlichen Weiten des Weltalls, die unvorstellbaren und immer noch nicht enträtselten Phänomene und Vorgänge in ihm erstaunen uns immer wieder aufs Neue, obwohl – oder sicherlich auch deshalb - weil wir im Vergleich zu vergangenen Zeiten heute vieles über die Entstehung des Kosmos und die Gesetze in ihm wissen. Auch wenn es viele Menschen gibt, die sich über den Sternenhimmel nur aus naturwissenschaftlicher Sicht Gedanken machen, so ist jedoch kein Mensch frei von gefühlsmäßigen, unbestimmten Eindrücken, die in irgendeiner Weise religiösen Charakter haben. Denn die Religiosität gehört zur Natur des Menschen.

Allerdings wird in unserer aufgeklärten Zeit der Gedanke an einen Gott, der all dies Schöne und Erhabene, das zudem ganz verlässlich nach den Naturgesetzen abläuft, geschaffen haben könnte, von vielen stark eingeschränkt oder abgewiesen. Dafür gibt es so manche Gründe. Einer, der von den meisten ins Feld geführt wird, ist die Erfahrung von Leid. Im Kern beschäftigt sie die Frage, wie ein Gott, der so mächtig sein soll und alles so herrlich regieret, uns Menschen, die er angeblich liebt und deren Glück er will, so leiden lässt, indem uns Böses widerfährt durch Krankheiten, Kriege, Katastrophen und qualvolles Sterben. Viele ziehen daraus die Schlussfolgerung, dass wir Gott wohl egal sind oder er eben auch nicht nur Gutes mit uns im Sinn hat, wenn es ihn denn überhaupt gibt.

Seit jeher treiben uns Menschen solcherlei Fragen um und quälen uns manchmal. Das kennen wir auch aus der Bibel. So war Hiob einer von denen, der wohl angesichts des fürchterlichen und kaum erträglichen Leides, das er erfuhr, besonders angefochten war. Deshalb stellte er die Schöpfungsordnung Gottes generell in Frage und reagierte mit scharfen Angriffen auf den Schöpfergott. Er zeichnet ihn in den beiden Versen vor dem Monatsspruch als einen Tyrannen, der in seinem Zorn seine Macht missbraucht, um die Schöpfung aus den Angeln zu heben. Gleichzeitig beschreibt er in den Versen des Monatsspruches zusammen mit dem nachfolgenden Vers 10 die Schöpfung durch Gott als ein nicht zu bestreitendes Wunder: Er (Gott) allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens. Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu erzählen sind.
Wenn wir die Aussagen des Monatsspruchs aufspüren wollen, so sind sie am treffendsten zu verstehen in der Zusammenschau mit den Versen 5-7. Es zeigt sich dann: Die Wucht und Härte des vielfachen Leids, das Hiob erfahren hatte, hat ihn sogar dazu gebracht, auch zu denken, dass Gott, der die Weltordnung gegen das einbrechende Chaos verteidigen kann, durchaus auch in der Lage ist, das Chaos wieder zuzulassen. Wir sind also nicht allein, wenn auch uns solcherlei Gedanken durch den Kopf schießen.
Ohne im Einzelnen auf die Lösung des Ganzen bei Hiob weiter einzugehen, besteht sie darin, die dunklen Seiten Gottes nicht auszublenden und anzuerkennen, dass unsere Leiden nicht in ein durchschaubares Schema einzuordnen sind, sondern dass sie Teil seiner undurchschaubaren, geheimnisvollen Schöpfung sind.
Und ohne es im Einzelnen zu erläutern, erkennen Christen Gottes wahres Wesen, nämlich seine Liebe zu uns Menschen, am Geschick Jesu Christi. In ihm ist Gott unter uns zugegen. Wer ihm vertraut, erkennt die Tiefe von Gottes Liebe. Gott schaut keineswegs teilnahmslos zu, wenn uns Böses oder Leid widerfährt, im Gegenteil. Er nimmt Anteil am leidvollen Geschick der Menschen, indem Gott in ihm diesen Weg mit uns geht. Er nimmt auf sich Leiden, Schande, Kreuzigung und den Tod und teilt so bis zum Ende unser Schicksal. So zeigt uns Jesus, dass Gott ein mitfühlender, mitleidender Gott ist, der uns auch im Leid und im Tod nahe bleibt, uns nicht fallen lässt. Und der uns ein neues, vollendetes, ewiges Leben eröffnet, wo uns alle Tränen abgewischt werden und lauter Freude herrschen wird. Eine größere Liebe ist nicht denkbar, als dass Gottes Sohn sich für uns Menschen hingegeben hat und auferstanden ist. Gerade in diesem Monat, in dem wir besonders unserer Verstorbenen gedenken, kann uns das trösten in unserem Schmerz und Herzeleid.
Warum Gott das Leid und das Böse nicht aus unserem Dasein schafft, können wir, wie wir auch am Schicksal des Hiob erkennen, nicht ergründen. Sie sind Teil seines für Menschen undurchschaubaren, geheimnisvollen Schöpfungsplanes. An Jesus Christus jedoch erkennen wir Gottes alles überwindende und heilende Liebe. Sie ist Gottes Wesen und bestimmt alle Wirklichkeit – auch in allem Leid.

Gottes Wesen können wir Menschen nur unzureichend anhand der Schönheit und Erhabenheit seiner Schöpfung erkennen, auch wenn beim Blick in den Sternenhimmel ein irgendwie gearteter Eindruck aufkommt, dass dahinter doch wohl irgendwie eine Macht steht. All die Himmelsobjekte und Himmelserscheinungen und alle Erkenntnisse über die Gesetze, nach denen die kosmischen Ereignisse geschehen, sind stumm in Bezug auf den Sinn des Lebens. Sie bieten auch keine Orientierung für ein gelingendes, glückliches Leben und helfen auch nicht, die wahren Zusammenhänge unseres Daseins besser zu verstehen. Vom Philosophen Ludwig Wittgenstein ist uns der Satz überliefert: „Wir fühlen, daß selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.“

Viele namhafte Forscher in den Naturwissenschaften meinen, dass es uns Menschen nie möglich sein wird, alles erkennen zu können. Harald Lesch, der bekannte Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist – er ist evangelischer Christ – sagte einmal in einem Interview: „Wenn man nur ein bisschen von der Welt versteht, dann weiß man, dass man irgendwann nicht gewesen ist und irgendwann auch nicht mehr sein wird. Es gibt ein großes Geheimnis, woher man gekommen ist und wohin man gehen wird. Und natürlich die Frage: Wie verhalte ich mich, wie gehe ich mit der Welt um? Das religiöse Weltverständnis ist das am weitesten über die Welt verbreitete – das Wissenschaftliche ist es sicherlich nicht.“

Es ist schon immer ein Trugschluss gewesen, wenn man meinte, man brauche die Religion nicht, um in der Welt zurechtzukommen. Daher brauche der Mensch umso weniger Religion, je mehr er die Welt naturwissenschaftlich erkannt hat. Hinter einer solchen Denkweise steht ja das Missverständnis, dass die Naturwissenschaft sogar existenzielle Fragen des Lebens bewältigen kann. Dazu will ich noch einmal Harald Lesch aus o.g. Interview zitieren: „Religion versucht ja vor allem Menschen zu betreuen, sie in existenziellen Situationen zu begleiten – positiven wie negativen. Für viele ist leider die Kirche auch nur so eine Institution, die man anruft, wenn jemand gestorben ist und vielleicht noch zur Taufe. Aber sie hilft auch, betreut Kindergärten, spielt mit vielen Institutionen eine ganz wichtige soziale Rolle. Und das aus einem bestimmten Menschenbild und Gottesverständnis heraus. Ich glaube, das kann man gar nicht hoch genug schätzen.“ Ein solches christlich geprägtes Gottesverständnis geht über das des Hiob hinaus. Doch wir Christen haben es mit demselben Gott zu tun wie Hiob, der ihn hinsichtlich seiner Schöpfermacht anerkennt mit den Worten: Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.