Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern. (Lk 2,30-31, der Monatsspruch) Das sind Worte von Simeon, einem gläubigen Juden. Er wurde vom Geist Gottes so geführt, dass er im Jerusalemer Tempel Maria und Joseph mit ihrem neugeborenen Kind begegnete. Als er dieses Kind sah, lobte er Gott unter anderem mit eben diesen Worten. Simeon hatte wie viele Juden seiner Zeit auf den Messias Gottes gewartet, der Gottes Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Frieden bringt – Heil also ganz so, wie es die Propheten des Alten Testaments, vor allem Jesaja, angekündigt hatten.
Simeon sieht in dem Kind nun Gott selbst kommen. Gott kommt, Gott ist da - in diesem Kind! Die Zeit des Wartens ist vorbei. Die Heilszeit beginnt für die Notleidenden, die Abgehängten und Benachteiligten, die Ausgebeuteten, die Heimatlosen und die Entrechteten. Er wird ihnen Recht und Gerechtigkeit verschaffen, so dass Frieden werden kann unter allen Menschen und in seiner ganzen Schöpfung. Simeon erkennt in diesem Kind, das er in seinen Armen hält, den wahren Retter, den Heiland, ohne den die Welt letztendlich verloren ist. Er erkennt aber auch – so entnehmen wir es seinen nachfolgenden Worten -, dass dieses Kind später auf Widerstand stoßen wird, dass sich an dem Messias die Geister scheiden werden, dass ihm nicht geglaubt und er auch abgelehnt werden wird.

Auch in diesem Jahr feiern wir wieder Weihnachten. Viele sagen, es ist das Fest der Liebe und des Friedens. Wenigstens für ein paar Stunden soll sich die in uns allen spürbare Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit erfüllen und so mancher Groll und manche Verletzung vergessen sein. Weihnachten, das Fest der Liebe, das zusätzlichen Glanz bekommt durch den gemeinsamen Besuch der Gottesdienste an Heiligabend.

Auch in diesem Jahr feiern wir wieder Weihnachten – das Geburtsfest dieses Kindes. Als erwachsener Mann Gottes verkündete er diese frohe Botschaft vom Heil für die Welt, die sich nach seiner Auferstehung in die ganze Welt ausbreitete. Seither kann überall Gott erkannt werden mit seinem Erbarmen gegen die Herzlosigkeit und Erbarmungslosigkeit der Menschen, wie wir es von Jesus selbst wissen. Seither kann Gott in Jesus Christus erkannt werden, dem die Ungerechtigkeit, das Unrecht und der Unfriede zuwider sind. Seither kann in Jesus Christus Gottes Wesen erkannt werden - die Liebe Gottes zu allen Menschen. Die Welt hat durch diesen Jesus einen neuen Schein bekommen – Licht, das die Dunkelheiten dieser Welt erleuchtet und ein Licht auf unseren Wegen sein will. Licht durch ihn, nicht durch unsere letztlich untauglichen Versuche, das selbst bewerkstelligen zu wollen.

Auch in diesem Jahr feiern wir wieder Weihnachten. Da kommen viele Menschen in die Kirche. Sie kommen mit ihrer Sehnsucht nach einer Welt, die anders, die besser, liebevoller sein soll als wir sie gerade in heutiger Zeit erleben. Viele von ihnen kommen, weil sie wissen oder zumindest ahnen, dass ihre Sehnsucht etwas mit dem in Bethlehem geborenen Kind zu tun hat. Und hier, in den Gottesdiensten, hören sie aufs Neue die Botschaft der Propheten und der himmlischen Heerscharen, was es mit diesem Kind auf sich hat: Es trägt den Geist Gottes in die Welt, diesen Geist der Barmherzigkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens, bringt ihr also Heil.
Ich habe mich schon oft gefragt, wie viele von denen, die da singen, „Welt ging verloren, Christ ist geboren“, das auch so begreifen, es in ihr Herz aufnehmen und sich von der Friedensbotschaft bewegen lassen. Es ist ja vermessen, wenn behauptet wird, wir könnten auch ohne Christus die Welt und unser Leben retten, egal in welcher Hinsicht. Ohne Gott können wir unser Leben nicht erhalten, geschweige denn erneuern. Wir können auch die Welt nicht retten. Wir können den Rückfall in das Chaos nicht verhindern. Wir können das alles nicht, wenn wir nicht in seinem Geist, im Geist dieses Jesus Christus unser Leben erneuern lassen und neu gestalten und uns von ihm leiten lassen. Ohne Gottes Geist der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit gegenüber jedermann gibt es keinen Frieden unter uns und in der Welt. Wer dennoch ähnlich dem selbstüberheblichen Motto denkt, ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein, der wird letztlich Schiffbruch erleiden. Das gilt für alle Bereiche des Lebens. Das gilt erst recht im Umgang mit unseren Mitmenschen. Wer sein Leben im Geist Gottes, im Geist Jesu Christi gestaltet und sich von ihm leiten lässt, setzt sich wie er für eine Welt ein, in der jedem Menschen mit Achtung, Respekt und Nächstenliebe begegnet wird, ihm in seinen Nöten geholfen wird, für sein Recht eingetreten wird und in der im Kleinen wie im Großen dem Hass und Unfrieden entgegengewirkt wird. Gottes Liebe, die wir daran erkennen, dass er in dem Kind Jesus in unsere verlorene Welt kam, macht vor nichts und niemandem Halt. In die Welt ist sie gekommen – zu jedem Menschen, ob er ein Lump oder Ehrenmann ist, in welchem Kaff oder Palast er lebt, in ärmlichen oder reichen Verhältnissen. Egal, welche Niederlagen und welche Brüche einer hinnehmen muss, wie nackt und bloß einer sich vorkommt und wieviel Schuld er auf sich geladen hat. Diese Liebe meint dich und mich. Und sie hört niemals auf. Sie will nicht vernichten, sondern aus dem Elend, der Verlorenheit, aus Unrecht, Hass und Unfrieden herausführen, ebenso aus der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beim Klima und der Umwelt, um nur diese zwei zu nennen. So wird Frieden unter uns werden. Und jedem wird es wohl gehen. Dieser Geist fällt also nicht vom Himmel wie Regen auf die Erde, sondern er ist in dem Kind von Bethlehem in die Welt gekommen. „Welt ging verloren, Christ ist geboren.“ In ihm ist Gott tatsächlich unter uns mit seiner grenzenlosen Liebe zu uns, um uns in seinem Geist zu alledem zu bewegen, zu befähigen und zu leiten.

Auch in diesem Jahr feiern wir wieder Weihnachten und hören die Botschaft der Engel, die solche göttliche Liebe in dem Kind der Welt verkündeten. Lassen wir unser Herz davon berühren? Schließen wir es auch auf und lassen uns von seinem Geist ergreifen? Meine Hoffnung ist, dass viele Menschen in diesem Geist dann wieder in ihren Alltag zurückkehren und sich von ihm leiten lassen. Ansonsten bleibt alles so, wie es ist: Nicht nur keine Heilung des kaputten Lebens, kein Loswerden von Schuld, keine Freiheit von den vielen Unfreiheiten dieser Welt, keine ewige Geborgenheit, sondern auch das Fortbestehen unbarmherziger und ungerechter Verhältnisse, das Fortbestehen von Ausbeutung, Unterdrückung, Hass und Krieg unter uns und in der ganzen Welt.

Am Verhältnis, am Vertrauen zu diesem in Bethlehem geborenen Kind, entscheidet sich für uns alles. „Welt ging verloren, Christ ist geboren.“ Der alte Simeon hatte dies alles deutlich vor Augen. Er sah: Gott ist da - in diesem Kind. Die Zeit des Heils ist gekommen. Nun bricht es an – mit diesem Kind. So pries er Gott: Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern.