Am Ende dieses Monats feiern wir wieder das Osterfest. Viele verbinden mit ihm in Mittel- und Nordeuropa die nach dem Winter wiedererwachende Natur. Draußen wird alles wieder grün und bunt. Das Leben in all seiner Vielfalt erneuert sich und geht weiter. Wir freuen uns darüber. Denn es tut uns gut.
In einer Tageszeitung las ich neulich einen langen Beitrag über das Osterfest. Darin wurde gleich am Anfang gesagt: Ostern feiern wir, weil es ein Frühlingsfest ist. Und dann wird das Frühlingserwachen sehr ausgemalt. Und es werden Ratschläge gegeben, wie man es, dieses Ostern, richtig vorbereiten und feiern kann.
Dass wir uns jedes Jahr über den Einzug des Frühlings freuen und das auch auf so manche Art und Weise zum Ausdruck bringen, dagegen kann niemand etwas einwenden. Doch Ostern als Frühlingsfest zu titulieren, dass bedauere ich. Zeigt es doch, dass immer mehr Menschen nicht mehr wissen, worum es beim Osterfest im Kern eigentlich geht und welche Bedeutung es für uns Menschen hat. Und ich bedauere, dass sogar in großen Tageszeitungen das Osterfest nicht mit seinem christlichen Inhalt gefüllt wird. Die Frage stellt sich, wie es denn dazu kommt, dass die christliche Botschaft von der Auferstehung Jesu von den Toten – darum geht es im Kern zu Ostern – längst nicht so viele Menschen anspricht wie z.B. das Weihnachtsfest, das Fest der Geburt Jesu Christi. Ich vermute, dass für viele, die vielleicht doch noch etwas davon wissen, das Thema Ostern keine Bedeutung hat oder sie es sogar als widersinnig betrachten. Und zwar, weil sie nicht erkennen können, dass Ostern irgendetwas in der Welt verändert hat und sie deshalb auch nicht glauben können, dass es eine Auferstehung von den Toten gibt. „Nach dem Tod kommt nichts mehr, was für mich von Bedeutung wäre.“ So oder so ähnlich denken und sagen viele.

Wer so denkt, für den kann der Evangelist Markus hilfreich sein. Denn sein Evangelium mit der Osterbotschaft endet nicht triumphal wie das der anderen und wie wir es seit vielen Jahrhunderten in der Kirche feiern, sondern eher dunkel. Die drei Frauen, die am übernächsten Tag nach der Kreuzigung Jesu voller Trauer in die Felsenhöhle kamen, um den dort abgelegten Leichnam zu salben, sahen im Grab einen Jüngling, einen Boten Gottes. Der sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden. Er ist nicht hier (Mk 16,6 – der Monatsspruch). Furcht und Entsetzen befiel diese drei Frauen. Sie flohen von dort und erzählten niemandem davon. Erst später werden sie anderen davon erzählt haben. Doch darüber zu berichten, daran hatte Markus offenbar kein Interesse, obwohl er davon wusste, wie es mit dem Auferstandenen und seinen Anhängern weiterging.
Ihm kommt es auf etwas anderes an: Er skizziert in vielerlei Erzählungen und Gleichnissen relativ kurz und knapp, was es mit diesem Gottessohn Jesus, mit dem Gott in unsere Welt kam, auf sich hat. Wir können es zusammenfassend etwa so sagen: Der Weg dieses Jesus musste am Kreuz enden. Er starb dort den Tod anstelle von uns sündigen Menschen. Und das sind wir alle. Denn wir misstrauen Gott, lehnen uns gegen ihn auf und missachten seinen Willen. Gottes Wille war es, auf ihn die Sünde der ganzen Welt zu legen, wie es die Urchristenheit erkannte und z.B. Paulus auf den Punkt brachte (2 Kor 5,21). Am Kreuz verlor Jesus den letzten und sichersten Halt, indem Gott ihm den Rücken kehrte. Seine Gottverlassenheit schrie er vom Kreuz herab (Mk 15,34: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?) und starb. Mit seinem Tod hat Gott diese Sünde und Schuld der ganzen Welt, verurteilt, gerichtet, getötet und ihre zerstörerische und Tod bringende Macht vernichtet. Kein Mensch soll bei Gott verloren sein. Jesus stirbt den Tod, der uns gilt – für uns (Mk 14,24).

Darin liegt der tiefe Sinn von Jesu Tod für uns Menschen. Doch wie kann sich zeigen, wie kann erfahren werden, dass durch Jesu Tod kein Mensch bei Gott verloren sein soll? Dazu schauen wir wieder auf die drei Frauen im Felsengrab, die nun die Botschaft von der Auferweckung Jesu gehört hatten. Sie waren erschrocken über diese unfassbare Nachricht und fürchteten sich. Aus unserer irdischen Welt, die doch vom Tod umschlossen und von Todesstrukturen durchzogen ist, kann doch keiner ausbrechen?! So mögen sie gedacht haben. Und doch ist das geschehen, was wir Menschen nicht denken können: Gott hat Jesus aus dem Tod geholt, befreit. Die Welt, so wie wir sie kennen, hat, bildlich gesprochen, dadurch ein Loch bekommen. Jesus ist der Erste, den Gott in seine heilvolle Welt, in seine neue Schöpfung geholt hat. Und das wird er auch für uns tun. Denn, ist Gott für Jesus, dann ist er auch für uns.
Den Frauen in der Felsenhöhle waren solche Gedanken jedoch noch fern. Sie hörten die Worte des Engels wohl. Doch dass die Welt nun irgendwie ein Loch bekommen hat, das offenbarte sich ihnen erst später. Jetzt haben sie nur das Wort des Engels, der Jesu Auferweckung verkündet hat. Einen Osterglauben hatten sie also noch nicht.
Hier halten wir zunächst inne und blicken auf uns und unsere Welt heute. Zeigt sich denn uns heute, dass unsere Welt, wie wir sie kennen und in ihr leben, ein Loch bekommen hat? Oder anders gesagt: Hat sich in ihr durch Ostern etwas geändert? Nach wie vor erfahren wir Menschen bitteres Leid durch Kriege, Hungersnöte und Katastrophen in dieser Welt. Nach wie vor siechen Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen dahin. Nach wie vor gibt es viel Unrecht, Hass und Feindschaft. Nach wie vor wird gestorben und wir stehen fassungslos vor den Särgen, weil der Tod eine undurchdringliche Mauer ist und wir Trauernden akzeptieren müssen, dass niemand unsere Verstorbenen wieder zurückholen kann und wir voneinander getrennt sind. Wir haben uns in den Tod mit all seinen zerstörerischen Strukturen gefügt. Es ist von daher nicht zu sehen, dass Ostern tatsächlich unsere Welt verändert hat. Und wenn die Botschaft, Christus ist auferstanden, auch heute in unser Weltgefüge einbricht, in dem nach wie vor der Tod das Ende unserer irdischen Existenz setzt, so löst das wie damals bei den Frauen auch Unverständnis aus und es wird nicht mehr darüber geredet.

Der Osterglaube entsteht eben nicht schon dadurch, dass die Auferstehung verkündet wird. Diese Botschaft lässt nicht sofort, quasi automatisch Glauben entstehen. Aber sie wird zum Glauben führen, wenn sie sich im Leben als wahr erweist. Darüber erzählt Markus allerdings absichtlich nichts, sondern deutet es nur zaghaft an: Die Frauen sollen nach Galiläa gehen, den anderen Jüngern die Auferstehung verkünden, und ihnen sagen, dass sie ihn dort auch sehen werden. Zunächst aber flohen sie vom Grab. Und damit endet der Bericht des Markus. Er richtet unseren Blick ganz auf das Diesseits, auf unsere irdischen Verhältnisse, an denen sich trotz Jesu Auferstehung von den Toten nichts geändert hat. Doch spätestens, so berichten es die anderen Evangelisten, als der Auferstandene seiner Jüngerschar erschien, er mit ihnen redete, mit ihnen sogar aß, da fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen: Ja, er lebt! Er ist wahrhaftig auferstanden. Er ist uns personhaft wieder gegenwärtig. Und nun begriffen sie nach und nach: Wir, die wir zu ihm gehören, werden mit ihm auch leben. Bildlich können wir es so ausdrücken: Durch das Loch in der Welt wird Gott auch uns in seine heilvolle Welt holen. Neues, ewiges, vollkommenes Leben. Nichts anderes wird es mehr je bedrohen können, auch kein Tod und andere finstere Mächte.

Die Auferstehung muss also verkündet werden mitten in „unserem“ Galiläa, d.h., mitten in unserer Welt, in der vielen Menschen wie im damaligen Galiläa Gott fern erscheint (damals eine Mischbevölkerung aus Juden, Nichtjuden und einigen Jesus-Anhängern). Das bedeutet: Da können sie ihn als ihr personhaftes Gegenüber erfahren. Da redet er sie mit seiner Botschaft an und sie können mit ihm reden. Und wenn man ihn bittet, dann antwortet er. So hatten seine Anhänger es nach seiner Auferstehung dort erfahren. Auf diese Weise treibt der Auferstandene sein Werk weiter. Soll er uns also offenbar werden, so brauchen wir seine Worte und Sakramente. Da haben wir Gemeinschaft mit ihm, so dass er durch uns wirksam werden kann – bei uns und in der Welt. Im Wort und Sakrament ist Jesus seiner Jüngerschaft auch heute gegenwärtig. Das weiß natürlich Markus. Aber er geht nicht näher darauf ein, sondern deutet es nur an. Er will offensichtlich, dass jeder, der die Auferstehungsbotschaft hört, sich selbst auf den Weg zu ihm macht, um all diesen Erfahrungen Schritt für Schritt nachzuspüren und sie im eigenen Leben fruchtbar werden zu lassen. So wird es Ostern bei denen, die mit Jesus Christus in ihrem Leben unterwegs sind. Wer so zum Osterglaube gefunden hat, wird vor Freude jubeln und Gott preisen mit dem Bekenntnis: Jesus ist wahrhaftig auferstanden. Er wird sich über seine Gegenwart freuen und Mut und Kraft schöpfen für den Dienst als Christ in dieser Welt und so sein Werk fortsetzen.