Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. (1 Petr 3,15)

Die meisten Menschen sind nicht ohne Hoffnung – auch nicht in schwierigen Lebenslagen und Katastrophen. Sie hoffen auf Frieden, auf bessere Lebensverhältnisse, auf die Einsicht der Menschen zum Guten, z.B. hinsichtlich der Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Sie hoffen auf gute Gesundheit und ein langes, selbstbestimmtes Leben, auf ein gutes Auskommen mit Verwandten, Freunden und Nachbarn und so manches mehr. Manche der Hoffnungen sind existentiell notwendig, andere eher nebensächlich oder banal. Diese Hoffnungen — so verschieden sie auch im Einzelnen sein mögen - haben doch einige Gemeinsamkeiten. Sie sind alle zusammen vorläufig; sie bewegen sich rund um unsere kurzfristigen, menschlichen Gedanken. Sie können zerplatzen wie Seifenblasen. Dann gehen sie unter und sterben sogar. Gut, solange Menschen immer noch von sich sagen können: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Doch allzu oft gehen sie tatsächlich unter und sterben. Dann sehen diese Menschen keinen Sinn mehr in ihrem Leben, resignieren, lassen sich dahintreiben und geben sich vielleicht sogar auf. Deshalb wird immer wieder mit dem Spruch von Ovid, einem römischen Dichter und Zeitgenossen Jesu, vor dem Hoffen gewarnt. Der lautet: „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“. Gegen diesen Allerweltssatz steht das Neue Testament. Es spricht von einer anderen Hoffnung. Sie ist Kernstück des christlichen Glaubens. Der 1. Petrusbrief richtet seinen ganzen Blick auf diese Hoffnung und will uns zeigen: Sie narrt nicht; sie kann nicht enttäuscht werden, weil sie nicht von den Menschen selbst gemacht und ausgedacht ist. Gott ist der Grund und Urheber dieser Hoffnung. Sie hat einen Namen – Jesus Christus, der Auferstandene. Gott schenkt sie uns. Denn er hat uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (Kapitel 1, Vers 3). Menschen, die an Christus glauben, das sind diejenigen, die von dieser unvergänglichen Hoffnung erfüllt sind. Das heißt: Sie sind gewiss, dass ihr altes Leben an sein Ende gekommen und ein neues Leben von Gott durch die Auferstehung Jesu Christi geschenkt worden ist. Dieses neue Leben hält Gott bereit für alle Menschen und besteht in einer unüberbietbaren Zukunft – ewiges Leben in Gottes Reich, befreit von allem, was einem solchen Leben entgegensteht. Christen erhalten im Glauben an Gott und Jesus Christus die Gewissheit, dass Gott sie mit diesem neuen Leben beschenkt.

Bei Christen, die von solcher Gewissheit erfüllt sind, ändert sich natürlich auch das eigene Verhalten in dieser Welt. Und es verändert auch ihre Sicht auf die Situation ihres gegenwärtigen Lebens, in dem die Not und das Elend, der Kummer und das Leid, die Kriege und die Ungerechtigkeiten im Kleinen wie im Großen uns manchmal an den Rand der Verzweiflung bringen. Sie sehen die gegenwärtige Situation jedoch unter anderen Maßstäben und sie verändern dementsprechend ihr Verhalten in der Welt. Sie üben z.B. Liebe, wo man sich hasst. Sie helfen denen, die von anderen übersehen oder fallen gelassen werden. Sie setzen sich ein für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Sie vergeben Schuld, um ein neues Miteinander zu ermöglichen.
Das allerdings gefällt denen nicht, die sich in unserer von Egoismus, Gier, Lieblosigkeit, Hass, Machtmissbrauch und Gewalt geprägten Welt wohl fühlen. Ihren zum Teil heftigen Widerstand haben Christen zu allen Zeiten oft zu spüren bekommen, gerade auch in der Zeit der noch jungen Kirche, als der Petrusbrief geschrieben wurde. Doch zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die neugierig wurden wegen der anderen Lebensgestaltung der Christen. Vermutlich war dies der Hauptgrund für die Aufforderung des Verfassers des 1. Petrusbriefes, denen Rede und Antwort zu stehen, die Rechenschaft über ihre Hoffnung fordern. Christen sollen zum Beispiel vor Gericht oder an anderen Stellen freimütig über ihren christlichen Glauben reden, der doch das Kernstück ihrer Hoffnung ist. Sie sollen aber auch – und an dies ist wohl hier eher zu denken – in privaten Gesprächen darüber reden. Sie sollen sich nicht zurückhalten, aus welchen Gründen auch immer. Andere sollen erfahren von solchem Glauben, von solcher Hoffnung auf ein neues Leben, das Gott bereithält.

Wie das gehen kann, kostet zwar manchem manchmal Überwindung, weil wir es hier, zumal in Deutschland, nicht gewohnt sind, über unseren Glauben freimütig zu reden. Doch es geht und es ist gut so wie zum Beispiel bei einer Frau, an die ich jetzt denken muss. Sie hatte Krebs und wusste, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben hat. Sie liegt im Pflegebett. Da geht die Tür auf. Ihre Enkelin, die sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte, stürzt zu ihr hin und heult und heult. Nach einer Weile sagt sie, sie habe keine Worte angesichts des großen Leides und des nahen Todes ihrer Oma. Das sei doch so fürchterlich. Die kranke Frau entgegnet ihr: „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Und die Schmerzen, die kann ich aushalten. Ich weiß, es wird alles gut. Ich bin ja nicht allein. Das weißt du doch. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Auf ihn hoffe ich im Leben wie im Sterben. Weißt du, mir hat ein Wort aus Ps 118 gerade in letzter Zeit sehr geholfen: „Ich werde nicht sterben, sondern leben.“ Dann streichelt sie die Hand ihrer Enkelin und wiederholt: „Es wird alles gut.“
Dieses Gespräch und der nur wenige Zeit danach stattgefundene Trauergottesdienst hatten nicht nur großen Eindruck bei der Enkelin hinterlassen, sondern führten dazu, dass sie ihr Leben neu überdacht und begonnen hat, es im christlichen Sinn anders zu gestalten.

So über den eigenen Glauben und die Hoffnung zu reden wie die krebskranke Frau, dazu braucht es also keine theologische Kompetenz oder auch „amtliche“ Beauftragung. Jeder kann und soll über seinen Glauben reden. Doch das haben gerade wir, die Deutschen, über die Jahrhunderte nicht eingeübt. Die Mehrzahl der Christen ist diesbezüglich stumm und meint, der Glaube sei privat und gehe eigentlich niemandem etwas an. Was aber ist dran an einer solchen Meinung?

Das Wort „privat“ geht zurück auf das lateinische Verb privo und bedeutet „absondern“, „abtrennen“ und auch „berauben“. Und genau das passiert, wenn wir unseren Glauben „privat“ verstehen. Wir berauben uns der Kraft des Evangeliums, Gottes Liebe und Heil zu verkünden, Menschen zu trösten, ihnen beizustehen und sie zu ermutigen. Wir berauben uns der Kraft des Evangeliums, die täglichen Herausforderungen in unserem Leben und in der Gesellschaft im Geiste Christi und in der Gemeinschaft mit anderen Christen anzugehen, damit es menschenwürdiger, gerechter und friedlicher in der Welt zugehen kann.

Wenn es nicht um Gott und unseren Glauben geht, da sind wir Gott sei Dank weniger zurückhaltend. Sind wir in den Händen eines guten Arztes oder Ärztin, so empfehlen wir ihn bzw. sie weiter. Hat uns ein Medikament gut geholfen, dann halten wir mit unserer Erfahrung nicht hinterm Berg. Finden wir bei einem Menschen immer ein offenes Ohr und freundliche, helfende und vielleicht sogar beglückende Zuwendung, so reden wir darüber. Nur wenn es um Gott, um Jesus Christus und unseren Glauben an ihn geht, bleiben die meisten stumm. Das ist merkwürdig. So soll es aber nicht sein. Sondern: anderen über unseren Glauben und unsere Glaubenserfahrungen erzählen, von unserer Hoffnung, die unvergänglich ist, weil sie sich auf Gottes Zusagen gründet. So bekommen auch andere Menschen die Möglichkeit, diesen Gott (wieder) kennenzulernen und von dieser Hoffnung (wieder) erfüllt zu werden.