„Der November ist immer ein so düsterer Monat. Den mag ich nicht. Er macht so traurig – auch wegen des Totensonntags.“, sagte eine Frau, der ich in diesen Tagen auf dem Friedhof begegnete. Wir redeten eine Weile miteinander – an diesem Ort natürlich besonders über die Begrenztheit unseres Lebens.

Uns Menschen ist bewusst, dass der Tod unserem Leben ein Ende bereitet. Niemand kann ihm entrinnen. Wir sehen ihn als Feind, der uns alle Möglichkeiten des Lebens aus der Hand schlägt. Denn wir lieben das Leben. Kaum einer sehnt ihn herbei, vielleicht nur der eine oder andere, der eine todbringende Krankheit hat, auf die Pflege anderer angewiesen ist und tagein tagaus von früh bis abends nur noch die Zimmerdecke anstarren kann. Da kommt schon mal die Sehnsucht nach einem erlösenden Tod auf. In der Regel verdrängen wir jedoch die Gedanken an den Tod. Die Macht des Todes ficht auch den Glauben der Christen an mit der Hoffnung auf eine neue Welt Gottes. Er, der Tod, scheint ja das letzte Wort zu haben.

Gerade auch deshalb - und das soll uns in unserer Anfechtung helfen - bitten wir in unseren Gottesdiensten und also auch an den Gräbern mit den Worten Jesu: "Dein Reich komme...". Machen wir uns eigentlich dabei immer bewusst, um was wir da bitten und auf was wir dabei hoffen?

Schon die Christen, an die der 2. Petrusbrief gerichtet war, waren in einer ähnlichen Lage wie wir heute. Sie hatten nur noch wenig von der Hoffnung der ersten Christen übrig. Die hatten noch gehofft, dass Jesus Christus bald wiederkommen wird, alles neu macht und verwandelt. Sie hofften auf den Jüngsten Tag, mit dem Gott sein Reich vollendet, an dem Gott eine neue Welt schafft, in der alles Widergöttliche und der Tod beseitigt ist und er die Seinen in seine ewige Gemeinschaft endgültig aufnimmt. Doch in der Zeit des 2. Petrusbriefes hatten sich diese Erwartungen immer noch nicht erfüllt. Die Welt lief äußerlich so weiter wie bisher. Bei manchen Christen stellte sich Enttäuschung ein. Dazu kamen die Spötter. Sie verlachten die Christen, die ihre Hoffnung immer noch auf den wiederkommenden Christus setzten und die Welt nicht so, wie sie war und ist, akzeptieren wollten. Sie missverstanden Paulus mit seiner christlichen Freiheitsbotschaft (Gal 5,1.13) und führten einen ausschweifenden Lebenswandel. Denn sie waren sich ihres Heils schon gewiss und erwarteten nur noch die endgültige Herauslösung aus der jetzigen Welt mit dem Eintritt in die göttliche Sphäre. Da die Todesmacht gebrochen ist, dachten sie, seien sie auch befreit von den Ordnungen für einen gottgewollten Lebenswandel.

In Sorge, dass sie vom „Weg der Wahrheit“ (2,2) und damit auch vom “Weg der Gerechtigkeit“ (2,21) abirren können und das heilvolle Ziel verfehlen, schrieb ihnen der Verfasser des 2. Petrusbriefes u.a.: Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt (der Spruch für diesen Monat). Er lenkte den Blick in den christlichen Gemeinden wieder auf die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, also auf die Zukünftigkeit des Heils und auf eine Zukunft für alle Menschen (Röm 8,19-23).

Nun, nach etwa 1900 Jahren, finden wir auch heute noch so ähnliche Einstellungen und Lebenshaltungen in der Christenheit wie damals. So warten einerseits viele auf den Jüngsten Tag, andererseits gibt es auch viele, die nichts davon halten und die erstgenannten deswegen belächeln und nicht ernstnehmen. Viele Christen geraten dann in Zweifel und lassen all ihre Hoffnung fahren. Das Heute wird ihnen viel wichtiger als die neue Welt Gottes. Doch letztlich stellt sich auch für sie wie für uns alle die Frage: Was wird mit mir, was wird mit meinen Liebsten, wenn der Tod alle Möglichkeiten des Lebens zunichte macht? Was darf ich hoffen? Darf ich überhaupt etwas erhoffen? Diese Fragen stellen sich uns heute drängender als in früheren Zeit. Wir lieben das Leben mit all den Annehmlichkeiten und Möglichkeiten und fürchten den Tod, der unausweichlich kommt. Resignierend vor seiner unerbittlichen Macht sagen dann viele: „Ja, so ist es unter der Sonne. Auch da geht alles seinen Gang - von der Geburt bis zum Tod, wie es schon immer war. Das ist das einzige, was wirklich bleibt.“

Eigentlich ist das eine trostlose Botschaft. Sie lähmt das Leben. Die Ansicht, dass die Welt unwandelbar so bleibt, wie sie ist, macht letztlich auch gleichgültig. Denn so manches im Leben erscheint fragwürdig und verliert seinen Sinn, wenn am Ende der Tod alles auslöscht, was unser Leben ausmacht. Diese trostlose Botschaft lässt Menschen auch oft verzweifeln. Oder sie verdrängen hartnäckig alles, was mit dem Tod zusammenhängt. Und viele malen sich eine eigene, oft skurrile Bilderwelt von dem, was nach dem Tod kommt, so als ob nur ein Raum gewechselt wird und das Leben dort fröhlich weitergeht. Die Todesanzeigen sind reich an solchen Vorstellungen.

Doch Gott wird zu seiner Zeit Himmel und Erde neu machen – und mit ihnen auch uns. Das ist eine ganz andere Botschaft, eine, die tröstet und Hoffnung weckt. Bereits der Prophet Jesaja hatte diese Verheißung den Israeliten verkündet. Sie wurden zum Freuen und immerwährenden Jubel aufgerufen, weil Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schafft (Jes 65,17f.).

Und Jesus Christus, der Sohn Gottes, bekräftigt diese Verheißung Gottes, z. B. in den „Seligpreisungen“, im Gleichnis vom verlorenen Sohn und durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung. Da brach er die Macht des Todes und hat uns Menschen den Weg in Gottes Reich eröffnet. Gott in seiner Liebe will nicht, dass wir verlorengehen. Er liebt uns so sehr, dass er den ganzen Kosmos neu machen will. So wird diese unsere alte Welt nicht bestehen bleiben im Glanze der Auferstehung. Und nicht nur wir Menschen sind von Christi Auferstehung betroffen und werden im Glauben verwandelt, sondern Gottes gesamte Schöpfung ist von ihr betroffen. Auch sie wird mit uns neu gemacht werden. „Neu“ heißt nicht, renoviert und repariert, sondern total verwandelt, ganz anders und in dieser Weise endgültig, eine Welt, auf die wir uns freuen können. Mit vielen verschiedenen Bildern wird in der Bibel versucht, diese neue Welt zu umschreiben. Doch sie sind allesamt zu schwach, um das auszudrücken, was Gott uns verheißt.
Im Monatsspruch wird aber auf eines besonders verwiesen: In der neuen Welt wird Gottes Gerechtigkeit wohnen. Das bedeutet: Das Verhältnis zwischen Gott und uns wird ein für allemal heil sein. Dann gibt es keinen Ungehorsam, keine Auflehnung und keine Sünde mehr, keine Ungerechtigkeit, keine Störung und kein Misstrauen, ob zu Gott hin oder auch gegenüber denen, die mit in dieser neuen Welt leben werden. Folglich gibt es dann auch kein Leid mehr und keinen Tod. Auf eine solche neue Welt warten und auf sie hoffen zu dürfen, für uns und für unsere im Tode schon vorausgegangen lieben Angehörigen, das ist das einzig Wahre, das uns zu trösten und unsere Angst, Resignation und Hoffnungslosigkeit zu nehmen vermag. An dieser Zusage Gottes können und sollen wir uns festhalten.

Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnt. Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern Gott mit seiner Liebe zu uns.