Zu dir rufe ich, HERR; denn Feuer hat das Gras der Steppe gefressen, die Flammen haben alle Bäume auf dem Feld verbrannt. Auch die Tiere auf dem Feld schreien lechzend zu dir; denn die Bäche sind vertrocknet. (Joel 1, 19-20 – der Monatsspruch)

Wer denkt da nicht sofort an die heutigen Auswirkungen der Klimaveränderungen. Über die Medien erfahren wir täglich davon. Doch auch in unserem Land, quasi vor der eigenen Haustür, bahnt sich Beängstigendes an. Pflanzen und Tiere leiden mit den Menschen unter der Trockenheit. Selbst Bäche und Flüsse trocknen aus. Das Wasser wird knapp. Die mittleren Jahrestemperaturen steigen. Pflanzen, Bäume sterben ab, Wälder brennen. Das Nahrungsangebot für die Tiere wird geringer. Auch für sie wird das Leben immer bedrohlicher. So gibt es immer mehr Katastrophen aufgrund der Klimaveränderungen auf unserem Globus. Unzählige Menschen betrachten das seit Jahren mit Sorge. Viele sehen auch ihre eigene Lebensexistenz bedroht und sind ratlos. Denn Maßnahmen, um den Klimaveränderungen Einhalt zu gebieten oder sie zu stoppen, werden nur halbherzig ergriffen. Viele möchten zwar etwas in dieser Richtung tun, handeln selbst klima- und umweltbewusst, sind aber enttäuscht vor allem über diejenigen in der Wirtschaft und Politik, die die Macht und die Mittel dazu hätten. Die Einschätzung, dass angesichts dieser düsteren Aussichten die ganze Schöpfung bedroht ist, teilen immer mehr Menschen. Manche zeichnen ein apokalyptisches Szenario – das kommende Ende dieser Welt und menschlichen Lebens. Und dies auch vor dem Hintergrund wachsender Kriegsgefahr, die aufgrund der modernen und atomaren Möglichkeiten der Kriegsführung das Leben auf unserem Planeten auslöschen könnte.
Vor Jahren klagte mir eine ältere Frau, ein treues Gemeindeglied, ihre Angst vor einem solchen Ende. Die Corona-Pandemie war zudem auf dem Höhepunkt und verstärkte ihre Angst in einem fast unerträglichen Maße. „Jetzt kommt das Ende über uns – Gottes Jüngstes Gericht!“ Immer wieder zitierte sie aus der Bibel apokalyptische Bilder vom nahen Ende der Welt, vor allem aus dem Neuen Testament. Aber auch auf die Schilderungen des Propheten Joel wie die, in der unser Monatsspruch steht, verwies sie. „Nicht mehr lange, dann ist es soweit!“, wehklagte sie aus einer unumstößlichen Überzeugung heraus. So ähnlich wie sie empfinden viele Christen.

Wie gehen wir Menschen mit solch beängstigenden Zuständen in der Welt um? Ist der Einsatz gegen alles, was eine negative Klimaveränderung und die Ausweitung von Umweltkatastrophen bewirkt, der allein richtige Weg? Und wenn ja, mit welchen Mitteln? Dieselbe Frage stellt sich auch im Blick auf den Einsatz gegen die weltweit zunehmende Kriegsgefahr und Ausweitung von Kriegen apokalyptischen Ausmaßes. Und hat das vielleicht auch etwas mit Gott zu tun, sofern man an ihn glaubt? Fragen über Fragen, die uns zunehmend umtreiben. Denn es ist die Angst um unsere Zukunft und um die unserer Kinder und Enkelkinder, die sie aufwerfen. Sie lässt auch so manchen am Sinn seines Daseins zweifeln.
Zu welchen Antworten finden wir Christen auf solche Fragen? Wir stellen uns ihnen, indem wir auf Gottes Wort hören. Das hilft uns zusammen mit den Glaubenszeugnissen unzähliger Menschen. All das ist uns in der Bibel überliefert. So auch das prophetische Wort Joels, das er aufgrund einer Naturkatastrophe und der eingetretenen wirtschaftlichen Not an seine Landsleute richtete.

Joel beschreibt eine katastrophale Not, die apokalyptischen Bildern gleicht. Diese Not brach durch eine verheerende Heuschreckenplage und eine katastrophale Dürre etwa um 400 v. Chr. über Jerusalem und Juda herein. Wie schlimm sie war, hält er im gesamten 1. und auch im 2. Kapitel fest. Er ruft die Bewohner auf, ihre Not Gott zu klagen, aber nicht, damit Jahwe, also Gott, sie abwendet. Sondern wenn man ihm klagt, so wendet man sich zu ihm hin in der Erwartung von Hilfe. Denn, so Joel in 2,13, er ist ja gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und das Unheil tut ihm leid. Trotzdem, die Strafe wird zunächst kommen, und zwar am „Tag Jahwes“.
Unter dem Tag Jahwes (in der Lutherbibel heißt er „Tag des HERRN“) sind im AT bestimmte Geschehnisse in der Zeit zu verstehen, die Gott unabwendbar herbeiführen wird. Sie sind Strafgerichte, wie sie bereits von den Propheten vor Joel angekündigt wurden (z.B. von Amos, Zefania, Sacharja, Ezechiel). Dieser Tag Jahwes hatte sich, so Joel, jedoch noch nicht ereignet. Die Not durch die Heuschreckenplage und die Dürre sieht er allerdings als die Vorboten dieses Tages. Doch es gibt auch Rettung am Tage Jahwes und damit verbunden der Beginn einer heilvollen Zukunft in der Fülle der Schöpfung und des Lebens (2,18-3,5 und 4,17-21), aber eben nicht für jeden. Joels Botschaft an seine Landsleute können wir so umschreiben: Noch ist unsere katastrophale Not nur ein Vorbote dieses Gerichtstages gewesen. Noch könnt ihr also umkehren, könnt euch Gott zuwenden. Denn er sagt, dass er im Gericht diejenigen retten werde, die wirklich umkehren. Wer umkehrt, den erhört er und beschenkt ihn mit der Fülle des Lebens. So sagt euch Gott zu (2,21): Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR hat Großes getan. Mit Joels Botschaft vom Tag Jahwes, der schon bei ihm wie dann vollends in der Apokalyptik eine Äonen- und Zeitenwende darstellt, will Joel trösten: Auf Not und Gericht folgt Heil.

Die ältere Frau, über die ich eingangs berichtet habe, sah, wie viele andere Menschen auch, in allen Ereignissen in dieser Welt nur Niedergang, Untergang, konnte keinen barmherzigen Gott mehr erkennen. Auch Joels Hinweis, dass Gottes letztes Wort nicht Strafe, sondern Heil ist, erreichte sie nicht. Sie vermochte erst recht nicht, die Botschaft hinter solchen apokalyptischen Bildern zu hören, die selbst von Jesus und nach ihm auch Paulus, dem Seher Johannes und den Verfassern des Kolosser- und des Epheserbriefes benutzt wurden. Die Botschaft nämlich von der Herrschaft Gottes aufgrund seiner Liebe, Barmherzigkeit und Freundlichkeit zu allen Menschen, die sogar die ganze Schöpfung und den Kosmos erneuert. Vielleicht liegt dies alles auch daran, dass die apokalyptischen Bilder bei vielen oft so übermächtig wirken, so dass der Gedanke von einem Gericht Gottes sich in den alles beherrschenden Vordergrund schiebt und dahinter der barmherzige, rettende Gott verblasst.

Das Geschick Jesu, sein Tod und seine Auferstehung, lassen jedoch erkennen, dass Gott herrscht und er sein Reich verwirklicht. Selbst der Tod, der Feind des Menschen, ist entmachtet. Denn das von Gott verhängte Gericht über die Menschen nahm Jesus auf sich. Mit seiner Auferstehung hat Gott nun die Wende vom Gericht über die Menschen zu einer heilvollen Zukunft in seinem ewigem Reich vollzogen. Mit Ostern hat sie bereits stattgefunden. Gericht über die Menschen soll nicht mehr sein, sondern Rettung, Heil. Und überall, wo Menschen Gottes tröstliches Wort aufnehmen und sich von ihm die Tränen trocknen lassen, wo Sünden be¬kannt und ver¬geben wer¬den, wo Menschen ihr Vertrauen auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus setzen, da bricht das Heil für diese Men¬schen schon an. Vollendet ist es allerdings noch nicht. Das wird erst dann sein, wenn Jesus Christus am Ende der Zeit kommt. Dann wird Gottes Herrschaft in der Welt und im gesamten Kosmos zum Ziel gekommen und vollendet sein. Da wird keine Not mehr sein und nichts mehr, was dem ewigen Leben derer, die an ihn glauben, entgegenstehen könnte.

Darauf hoffen wir Christen und sind doch zugleich in diesem Glauben auch immer wieder angefochten. Die vielen Nöte und Katastrophen in der Welt bis heute, die Angst vor ihnen, weil sie unser Leben einschränken und bedrohen, lassen uns oft daran zweifeln. Manche sagen dann, das sei eben doch Gottes Gericht, weil wir ihm ungehorsam sind. Andere bekommen solche Zweifel nicht, weil sie nicht an Gott glauben. Sie sehen eher das Unvermögen der Menschheit, so im Einklang mit der Schöpfung zu leben, dass weder das Leben von Mensch noch von Tier bedroht ist. Daran ist viel Richtiges. Doch dem will ich hier nicht weiter nachgehen. Für uns Christen jedenfalls ist all das, was an Unheilvollem und Lebensbedrohlichem in der Welt geschieht, eine Anfechtung im Glauben. Es ist dieser Gegensatz zwischen göttlicher Herrschaft, dem Reich Gottes, und den Zuständen in der irdischen Welt, der uns manchmal sehr zu schaffen macht.
Martin Luther hat das in der 3. Disputation gegen die Antinomer mit folgendem Bild zum Ausdruck gebracht (WA 39 I, 521, 5 – 522, 3): „Ein Mensch, der an Christus glaubt, ist durch göttliche Zurechnung gerecht und heilig, der lebt und ist schon im Himmel, ist umgeben vom Himmel und Barmherzigkeit. Aber dieweil wir hier getragen werden in des Vaters Schoß, mit dem allerbesten Kleide gekleidet, kommen mir unsere Füße unten aus dem Mantel hervor, und die sucht Satan, wie er nur kann, zu beißen. Da zappelt das Kindlein und schreiet und fühlt, es habe noch Fleisch und Blut, und der Teufel sei noch da.[...] Also sind wir denn heilig und frei, doch im Geiste nicht im Fleische.[...] Doch die Füße bleiben noch zu waschen, denn sie sind unrein, und darum darf sie der Satan beißen und üben, bis sie rein werden. Denn Du musst das Füßlein mit unter den Mantel ziehen, sonst hast du keinen Frieden.“

Unheil, Not, Elend und Heillosigkeit in der Welt selbst in apokalyptischen Ausmaßen müssen uns nicht mehr schrecken. Mit Chri¬stus hat – anders als es der Prophet Joel sah – die Wende zum Heil bereits stattgefunden. Mit dem Auferstandenen hat sie begonnen. In ihm, und nur in ihm besteht die Hoffnung auf die Vollendung von Gottes Verheißung einer heilen Welt, die die ganze Schöpfung und den Kosmos umfasst. Dann ist nach Gottes Willen alles gut.