Herr Perknowsky legte Dr. M. Luther diese Frage vor und sprach: „Herr Doktor, wenn ich etliche Stücke Goldes oder sonst einen Schatz hätte, den ich nicht ausgeben wollte, und irgendeiner käme zu mir, um mich anzuborgen, könnte man es ihm mit gutem Gewissen verweigern und sagen: Ich hab kein Geld?“
Der Doktor antwortete, dass dieses mit gutem Gewissen geschehen könne, als würde er sagen: Ich habe kein Geld, das ich ausgebe. Johannes sagt zwar: Wer Güter dieser Welt hat und sieht einen bedürftigen Bruder usw. (1 Joh 3,17), und auch Christus sagt: Gib jedem, der bittet (Mt 5,42), das heißt, der bedürftig ist. Er sagt nicht, jedem Müßiggänger und Verschwender, die doch allgemein die größten Bettler sind. Und ob ihm einer gleich viel gäbe, so ist ihm doch damit nichts geholfen. Keiner ist bedürftig in dieser Stadt außer die Studenten. Armut ist in dieser Stadt groß, aber die Faulheit viel größer. Man kann doch schier keinen armen Menschen mit Geld zur Arbeit bringen, aber alle wollen (lieber) betteln. Es ist kein recht Regiment hier ( = kein rechtes Regieren hier). Dem Christian und dem Pacaeus usw. ist nicht zu helfen. Wenn ich´s auch gleich vermochte, so wollte ich´s nicht tun. Je mehr man ihnen hilft, umso mehr kommen sie hinein (in die Schulden). Ich will´s meinem Weib und Kindern nicht vor dem Maul wegschneiden ( = vom Munde absparen) und denen geben, denen es nicht hilft. Den wirklich Armen muss geholfen werden. Wenn jemand wirklich arm ist, dem will ich von Herzen mit Kräften helfen. Und niemand soll diesen Spruch, wer zwei Röcke hat, gebe einen dem, der keinen hat (Lk 3,11), abergläubisch ( = zu kleinlich/spitzfindig) verstehen. Denn die Schrift versteht unter einem Rock die ganze Bekleidung, an der jemand Mangel gemäß seiner Stellung und Notlage hat, so wie sie unter Brot die ganze Lebensnahrung versteht. Deswegen bedeutet ein Rock alle Bekleidung. Der Teufel aber würde uns mit Freuden mit jenen Spitzfindigkeiten zu neuen Mönchen machen und den Gottlosen und den Müßiggängern Gelegenheit zum Luxus /zur Ausschweifung geben. Es wollte vor langer Zeit alles bei mir reich werden; des Bettelns war kein Ende.

WA TR 2, 646,8-647,7, Nr. 2769b