schlussapplaus rusalkaEin Spielzeitthema, 2023/24 lautet es „UFERLOS“, ist eine gute Sache. Die Opern „Rusalka“, aber natürlich auch „Das Rheingold“, „Peter Grimes“, „Die Stimme der Meerjungfrau“ und das Musical „Titanic“ haben es wesentlich mit Wasser zu tun, ja spielen teils unter Wasser.

Dass Wasser aber bei der szenischen Umsetzung von Rusalka so gut wie keine Rolle spielt und szenisch bis auf das Aquarium in Rusalkas Kellerloch, etwas Wasser im Küchenspülbecken und diverse Unterwasser-Bildprojektionen nicht weiter vorkommt, enttäuscht. Die Natur bleibt in dieser Inszenierung (vermutlich die letzte von Guy Montavon an diesem Haus) draußen oder ist bereits tot, wenn sie hereinkommt (Fische, Wild).

Ich habe in der Küche des herrschaftlichen Hauses aus dem 19. Jahrhundert wenigstens einen Ausblick auf Wasser oder Teich vermisst. Dass die Elfen dort als Küchenmädchen arbeiten, karikiert das Libretto – oder umgekehrt?! Anders als in Zürich, dort waren Najade, Dyade und Echo („Ariadne auf Naxos“) Serviererinnen in der Kronenhalle, geht hier das Konzept für mich nicht schlüssig auf. Vielleicht, weil es in dem originalen, märchenhaften Stoff kein Zwischenreich (nichts anderes ist diese Küche) gibt, sondern nur die beiden Welten (hier: Keller und großes Jagdzimmer). Anerkennenswert ist das opulente Bühnenbild, wie immer großartig gebaut - aber was trägt es zum Inhalt bei?

Daneben gegangen, weil gegen den Tenor der Musik und einfach nur albern inszeniert, ist die Szene der Jezibaba (Catherine Daniel). Hier erinnert die Hexe an eine sehr irdische Puffmutter und die Zubereitung des Trankes mitsamt der Bühneneffekte lächerlich und total überzogen. Jezibaba ist ein Mensch wie alle - das ist in dieser Inszenierung so gewollt. So kann das zentrale Motiv, die Verwandlung, aber kaum überzeugen. Rusalka ist von Anfang an keine Nixe, Jezibaba muss ihr keinen Menschenkörper mehr geben. Die Verwandlung ist nur noch eine „Kleidersache“, „Statusangelegenheit“. Das beraubt die Oper ihrer tiefsten Botschaft: aus Liebe bereit zu sein, das eigene Wesen aufzugeben, um einem Menschen nah sein zu können – und daran zu scheitern.

Im Ganzen schlüssiger ist der 2. Akt, unterbrochen durch die mitten hinein verschobene Pause (!).

Es gibt sicher weniger plakative Möglichkeiten, Rusalkas Demütigung zu zeigen. Sie zu einer „Gehörnten“ zu machen, passt zwar zur Dekoration des Jagdsaales, dessen Geweihe bei entsprechender Beleuchtung zu gruseligen Fabelwesen mutieren. Dennoch: Manchmal ist weniger mehr. Zumal, wenn das Provozieren und Verspotten durch die Hochzeitsgäste (Opernchor) gar kein Ende nehmen will und sogar die Gesänge der Elfen in der Küche auch noch für Demütigungen von Rusalka herhalten müssen. In Partitur und Libretto steht an dieser Stelle ein Reigentanz der Elfen, um den Wassermann zu necken. Weder Text noch Musik geben das her, was der Regisseur daraus gemacht hat.

Weitere Ungereimtheiten. Warum wurde aus der fremden Fürstin, gesungen von der erst 48jährigen bildhübschen Claire Rutter a.G., ein „altes Weib“ gemacht, das mich allenfalls an Fräulein Rottenmeyers dunkle Seite erinnert? Soll das die Karikatur einer alt gewordenen Rusalka sein? Möglich ist alles, dem Werke entspricht es nicht.

Erst recht überkarikiert wurde der Heger (Tristan Blanchet), hier als lüsterner Priester dargestellt.

Wer vorher einen Opernführer aufgeschlagen hat, wird sich wundern. Die im Programmheft abgedruckte Handlung der Oper entspricht dem, was die Inszenierung daraus gemacht hat. Nur ist das, wie beschrieben, längst nicht immer das, was das Libretto beinhaltet.

Ilia Papandreou, im jugendlich-dramatischen Fach zu Hause – sie hat längst die Ariadne, Kaiserin, Marschallin gesungen, ist der lytischen Partie stimmlich eigentlich entwachsen, kann ihre Stärken vor allem aber in den dramatischen Szenen des 2. und 3. Aktes zeigen.

Als Prinz überzeugt Ewandro Stenzowski mit strahlkräftigem Tenor und intensivem Spiel.

Kakhaber Shavidze steckt im Zwiespalt: jetzt „Haushofmeister“ in schuppenglänzendem Gehrock, früher Wassermann, für den väterliche Kraft und Macht komponiert worden ist. Große Hochachtung vor seiner Leistung. Dass seine warnenden Rufe: „Wehe dir, Rusalka, wehe!“ (beda: Elend, Leiden; az beda – o weh) im Übertitel mit „Bleich bist du, Rusalka!“ wiedergegeben werden, ist wenig hilfreich. Das mag ja die korrekte Übersetzung sein, aber diese und viele anderen Textstellen passen wenig zu einer lyrischen, märchenhaften Oper.

Chapeau für Clemens Fieguth, seit dieser Spielzeit 1. Kapellmeister. Auf ihm lasten nach dem Weggang von Alexander Prior und in der angespannten Situation am Haus neben den Rusalka-Dirigaten auch noch die Dirigate von „Rheingold“ und „Anatevka“ (Domstufenfestspiele). Außerdem ist Fieguth seit 2022 Dirigent und künstlerischer Leiter des Landesjugendorchesters Thüringen.

Unter seiner Leitung geriet für meine Ohren manches zu knallig. Das Auftrittsentree (Mitte 2. Akt) – geschenkt, so kann man auch eine „gefräßige Gesellschaft“ musikalisch karikieren. Aber das Finale war dann doch mehr Kraftakt als Apotheose. Die eher „musikantischen“, volkstümlichen Passagen wurden dagegen sehr eingängig musiziert.

Die Hoffnung, die Rusalka am Ende hat, geht durch den bühnenwirksamen Zusammenbruch des Herrschaftshauses unter.
„Um der Liebe willen, die uns beide eint,
um der Tränen, die wir zwei geweint,
glaube ich, dass Gott unser gedenkt,
und uns gnädig sein Erbarmen schenkt!“
(Übersetzung von Eberhard Schmidt)