Im Advent gibt es zahlreiche Traditionen, die über Hunderte von Jahren gewachsen sind: Adventskalender, Adventskränze, Advents- und Weihnachtslieder, Geschichten um Weihnachten, selbstgebackene Plätzchen, Weihnachtsmärkte, Konzerte, Lichterketten, Gottesdienstbesuche, Verwandte und Freunde besuchen, mit ihnen feiern und essen, Gemeinschaft pflegen. All das trägt zum besonderen Charakter von Weihnachten und der Adventszeit davor bei, weil – so verstehen es die meisten – Weihnachten eben ein Fest der Liebe ist. „So könnte man sagen, dass Weihnachten kein bestimmter Zeitpunkt, nein, auch keine Jahreszeit ist, sondern vielmehr ein Gefühl.“ Dies las ich vor zwei Jahren in einer Zeitschrift. Und in einer Konferenz vor vielen Jahren sagte einer der Teilnehmer: „Wenn es Weihnächten nicht gäbe, müsste es erfunden werden.“ Doch was hat es auf sich mit Weihnachten als Fest der Liebe?
Wir müssen weit ausholen, um den Spruch für diesen Monat mit in den Blick zu bekommen. Er steht im Buch des Propheten Maleachi und stammt wohl aus der Zeit zwischen 250 bis 300 vor Christi Geburt. Darin kündigt Gott sein Kommen damaligen Juden an: Gott spricht: Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln (Mal 3,20). Das im Alten Orient weit verbreitete Motiv der geflügelten Sonnenscheibe galt als Symbol von heidnischen Sonnengöttern, die Heil und Gerechtigkeit bringen sollen. Hier jedoch wird Gott selbst Heil und Gerechtigkeit bringen – und zwar an einem kommenden Tag, seinem endgültigen Gerichtstag. Da wird er die übermütigen Gottlosen im Gottesvolk vernichten. Die ihm aber treu geblieben sind trotz des Spottes, der Verhöhnung und der Schmach durch jene, wird er erretten. Darauf dürfen sie hoffen. Das sagte Gott ihnen zu. Auf diesen Tag können sie sich daher schon heute freuen.
In dieser Weise hat sich Gottes Zusage allerdings nicht erfüllt. Es kam ganz anders. Es kam nicht der Tag der Abrechnung, sondern der Tag mit der Geburt des göttlichen Sohnes Jesus in Bethlehem. Mit ihm, in ihm kam Gott selbst in die menschliche Welt, nicht um den Frevlern den Garaus zu machen, sondern weil er die Menschheit liebt und Mitleid mit ihnen allen hat – vor allem mit denen, die unter Unrecht, Unfrieden, Not und Lieblosigkeit leiden, Mitleid selbst mit den Frevlern, den übermütig Gottlosen. Alle, die nun zum Glauben an ihn kommen, werden aus solchen unheilvollen Zuständen befreit und erlangen das ewige Leben, so sagt es Jesus selbst (Joh 5,24). Sie erlangen das Heil in einem Maße, wie es sich Maleachi nicht vorstellen konnte: 1. Gottes Heilsangebot ergeht an alle Menschen und 2. Die vollkommene Gerechtigkeit und das Heil wird allerdings noch nicht innerweltlich, also noch nicht im irdischen Leben vollends erfahrbar, sondern erst am Ende der Zeit. Das besteht in der Teilhabe an Gottes ewiger Gemeinschaft, wo er das Leben in neuer Gestalt vollenden wird.
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